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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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keuchen und Acetylsalicylsäure einnehmen, damals die Sprache sprengen wollten. Nicht die Gesellschaft; so weit waren sie noch nicht. Während ich in der Lundequistska-Buchhandlung schmollte, schrieben sie: »Uppa-puppa-upp-upp-upp, löst die Formen auf BAOUM!« Und sie eilten im bunt bemalten Körper der Göttin der Frauen rein und raus (welchen Eingang wohl!) und hörten den schönen Eisenschrott tingelingeln und kreischen, während sie auf Skeppsholmen auf einem Schotterhügel standen und sich den Regen ins Gesicht laufen ließen, denn sie waren Sprachsensualisten, die dann nach Hause gingen und darüber und über die Brötchenkrümel auf dem Fußboden des Cafés schrieben. Sie saßen gern auf dem Fußboden und becherten, und der Wein war sauer wie der Regen. So ein verspielter Schwindler mit zum Himmel gewandten Gesicht wurde später im Leben ein schmerbäuchiger alter Fuchs, der ganz verständlich über Buchfinken schrieb.
    Die Leitfigur unserer Zeit kleidet sich wie ein Gangster aus den Dreißigerjahren, und unser größtes literarisches Rätsel besteht darin, ob seine Sonnenbräune echt ist oder Max Factor Lasting Performance. Stellt euch eine Zeit vor, in der ein Mann im karierten Arbeiterhemd und mit Sandalen aus dem Kreis der Verspielten trat und behauptete, ein europäischer Intellektueller zu sein. Es war lange her, dass jemand dieses Wort auszusprechen wagte, und die Verspielten scharten sich wie hypnotisierte Kaninchen um ihn. Sie unternahmen eine Gruppenreise nach Moskau (nach China war zu teuer) und kamen mit Lenins Reden auf einer LP und seinen Schriften in Pappbänden zurück, womit sie sich knapp zehn Jahre später zu nachtschlafender Zeit in den Müllraum hinunterschleichen mussten.
    Jetzt hatte es sich wahrhaftig ausgespielt. Kein Uppa-puppa-upp-pupp und Schmutz-Schmatz mehr, sondern gerade Bananen, strenge Logik, notwendige Massenmorde und Lieder zur Balalaika. Der Wein war freilich noch genauso sauer. Diese Zeit hatte ihre Göttin, und sie war an einer Theaterschule ausgebildet und unerbittlich wie eine weissagende Kassandra auf Kothurnen. In ihrem Treppenaufgang in Gröndal saßen rotznäsige, verfrorene Befreiungsfront-Jüngelchen, und am Ende musste sie zu den Mooren und Nebeln fliehen, wo ihre wunderliche Sprache zu Hause war.
    Ich vermute, die meisten denken, wenn sie schreiben, aber das ist dumm. Denken soll man erst hinterher. Und auch dann soll man an dem, was man gesehen hat, nicht zu viel ändern. Man soll die Erscheinungen verwenden, die man hatte, als einem das Blut wie sengende Glut durch die Adern rauschte. Sehen, das ist das Wichtigste, und es ist nicht, wie die heutigen jungen Genies in ihren kurzen schwarzen Mänteln meinen, ein Zugeständnis an das Medium Film. Sie wollen ausschließlich mit literarischen Ausdrucksmitteln arbeiten, sagen sie, das heißt mit der Sprache und den von ihr getragenen Formen. Darum wird es auch sterbenslangweilig. Kein Mensch, der ihre vollendete Prosa liest, sieht etwas vor sich.
    Ich war immer froh über das, was ich gesehen habe, wie nebulös und wackelig es sich mir auch dargestellt hat. Die Erscheinungen haben mich wie Elektroschocks getroffen. Sie sind viel wahrer als alle stets grauen Theorien.
    Ich kann mich in die Zeit zurücksehnen, als ich noch nicht so kontrolliert war, als ich es sogar mochte, wenn der Text ein bisschen abdriftete. Weiß der Himmel, ob mich nun noch etwas wie ein Elektroschock treffen würde, abgesehen von Sunes Verdammung und den daraus resultierenden Folgen. Ich hatte längst das Gefühl, dass er mich als Lillemors Anhängsel und schäbigen Genius betrachtete. Ihr würde er sicherlich vergeben, und der Verlag würde die Angelegenheit vertuschen und nach den Manuskripten der Person fragen, welche die Bücher tatsächlich geschrieben hatte. Es war gut, solange sie an das Schreckbild von Anklage und Skandal glaubte, das ich ihr ausgemalt hatte, denn im Grunde ging es um etwas ganz anderes. Ich konnte ohne sie nicht schreiben. Wir mussten zu zweit sein.
    Als ich dreizehn war, nahmen mich meine Eltern mit ins Volkshaus, wo wir Moa Martinson hören wollten. Ich hatte noch nie zuvor eine Schriftstellerin gesehen. Um den Hals hatte sie einen Pelz, ich weiß nicht mehr, ob es eine Fuchsboa war oder nur ein Kragen, und sie trug eine große, schwarze samtene Baskenmütze mit einer glänzenden Brosche, darunter sah man ihren nach vorn gekämmten Pony. Die Lippen hatte sie geschminkt.
    Schriftstellerinnen umgab etwas Heikles,

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