Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
ich.
»Das ist nicht dasselbe.«
Damit hatte er natürlich recht. Aber ich konnte doch unser Schreiben nicht aufgeben, um es mir mit Ante im Ausziehbett seiner Großeltern wohlig sein zu lassen. Er wollte wie ein Kranich als Paar leben. Ich solitär wie ein Fuchs oder Kuckuck.
Lillemor sieht jetzt
Antes Küche vor sich. Schaut in sie hinein wie in eine Glaskugel mit Weihnachtsmotiv oder in ein Guckei. Vor dem Fenster fällt sacht der Schnee. Es riecht nach Motoröl und Kaffee. Die Gardinen sind kariert und müssten gewaschen werden, ansonsten aber ist es nicht unordentlich oder auch nur ungepflegt. Sune liest aus Bleak House vor. Seine Stimme ist warm und sicher.
So hätte es bleiben können. Wir hätten da oben grau werden können, er als Rektor, ich als Rektorsfrau und kultureller Feuergeist in einem ångermanländischen Sprengel. Nach seiner Pensionierung wären wir natürlich nach Härnösand gezogen. Ich ginge jetzt auf die Seniorenuniversität. Machte Bildungsreisen. Ich hätte immerhin recht hübsche Kleider haben können. Zumindest in Sundsvall gibt es Boutiquen.
Aber da war Tomas, und da war Babba. Das Guckei zerplatzte. Die Weihnachtskugel wurde geschüttelt, und ihr Inhalt wirbelte im Schneechaos.
Lillemor ahnt, was auf sie zukommt, und wagt es kaum, das Manuskript weiter durchzusehen. Diese furchtbare paperasse ist kein Leben, sie zeigt nur wacklige Scheinbilder. Ein Gaukelspiel, inszeniert von einem rachsüchtigen und machtvollkommenen weiblichen Satan. Ein Blendwerk, das ich zu leben gezwungen war, denkt sie. Die Glaskugel hat aber nicht Babba allein zum Zerplatzen gebracht. Tomas war damals ein äußerst aktiver kleiner Teufel. Log, dass ihm blaue Flammen aus dem Mund hätten schlagen müssen. Aber man glaubte ihm natürlich. Vertrieb uns für alle Zeit aus der Kleinbürgerlichkeit. Keine Kulturabende in der Bibliothek und kein Tanz in Sankt Petri Logen in Härnösand. In Borlänge versuchten wir noch mal was aufzubauen, geborgen, wie wir uns in der Sozialdemokratie fühlten – und was mich betrifft, mit einer handhabbaren Betrügerei. Aber auch das zerplatzte. Diesmal lag es allerdings nicht an Babba.
Lachs Iris Rosen
Der Siljansee war an diesem Morgen mattgrau wie ein alter Zinnteller. Er sah aus, als hätte er schon so dagelegen, als der Meteorit vor drei- oder vierhundert Millionen Jahren eingeschlagen und der Krater sich langsam mit Wasser vom Himmel und aus dem Fjäll gefüllt hatte. Ich wusste nichts von Herbstnebeln, vom Sturm oder vom Eis, das sich gegen die Ufersteine wälzte, denn wir waren erst vor Kurzem hierhergekommen.
Ich war ganz allein, und nachdem ich auf den See hinausgerudert war und mich vom Vogelgesang entfernt hatte, hörte ich nur noch das leise Jammern der Riemen. Ich ruhte mich oft auf ihnen aus und sah nach den weißen Schwimmern, die nach unten gezogen wurden. Damals war das Wasser so klar, dass man die ausgelegten Netze in beträchtlicher Tiefe sehen konnte. Ich war zeitig gekommen, und Lillemor schlief noch. Eigentlich hatte ich nur die Netze prüfen wollen. Wenn sie leer waren, konnten sie noch liegen bleiben, so frei von Müll und Algen war der See damals.
Mitten im Verlauf des Netzes verschwanden die kleinen weißen Spulen nach unten. Vermutlich saß dort ein Lachs oder eine große Maräne. Ich musste das Netz allerdings von der gelben Spülmittelflasche aus einholen, die als Markierung draußen trieb, und folglich musste die Sache warten, bis Lillemor wach war und mich rudern konnte.
Ich ruderte an Land und hörte bald wieder den Vogelgesang dieses Maimorgens. Drosseln und Buchfinken vor allem. Ich war zum Wasser, zum Morgen geflohen – obwohl ich eigentlich vor gar nichts fliehen musste. Dass Thorsten Jonssons Erzählband ein Verbrecheralbum ist, kümmerte mich in dem Moment nicht. Hatte nur den Titel im Kopf: Flieh zum Wasser, zum Morgen – Worte aus Dunst und Nebel, die immer wieder aufscheinen, wenn sie sich verflüchtigt haben.
Da sah ich Lillemor auf dem Bootssteg stehen, und ich weiß noch, dass sie eine rosarote Strickjacke, eine weiße Bluse und Jeans trug, was allerdings nichts mit meinem guten Gedächtnis zu tun hat, sondern mit den Fotos, die ein paar Stunden später gemacht werden sollten.
Ich dachte an den Lachs, falls es denn einer war, und ob wir ihn braten oder kochen sollten. Oder falls es eine Maräne war, ob sie dann so groß wäre, dass man sie beizen konnte. Bevor der Meteorit eingeschlagen hatte, gab es hier ringsum vielleicht
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