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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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drangen. Sie fanden ihn nicht und hätten noch bis zum Neujahrsauftakt des sozialdemokratischen Unterbezirks weitergemacht, doch Lillemor konnte nicht mehr. Nachdem sie Sune im Kramm abgesetzt hatte, tauchte sie bei uns auf.
    Wegen der Hunde zündeten wir keine Raketen, und Ante schoss auch nicht mit der Schrotflinte. Also wurde die Neujahrsnacht so still und ruhig, wie Lillemor es brauchte. Wir hörten Das alte Jahr vergangen ist und die Glocken aller Dome. Dann musste sie jedoch Astrid anrufen und ihr ein gutes neues Jahr wünschen.
    »Ich werde die Zeit stoppen und es bezahlen«, sagte sie zu Ante.
    »Lass nur, wohl bekomm’s«, erwiderte er, denn er hatte natürlich keine Ahnung, wie lange sich ein Gespräch mit Astrid hinziehen konnte. Am Morgen steckten jedenfalls zwei Hunderter unter dem Telefon.
    Ich hörte, wie sie mit Astrid sprach, und die Entfernung machte sie beherzter als sonst.
    Sie sagte: »Nein. Du hörst, was ich sage. Nein.«
    Daraufhin folgte eine lange Auslassung von Astrid, von der ich Bruchstücke mitbekam. Ich verstand die Worte »deine Mutter ist kein Gänschen«, ja, wohl wahr! Das Gespräch dauerte lange, und zu meiner großen Überraschung war es Lillemor, die das Ganze schließlich beendete.
    Sie sagte: »Jedenfalls nicht mit meinem Geld. Sieh dich vor und gutes neues Jahr.«
    Am Neujahrstag war es sehr still, der Schnee fiel auf die Felder und löschte den letzten braunschwarzen Streifen von Antes Ackerfurchen aus. Am Waldrand tauchte eine große Elchkuh auf. Sie schien in der vibrierenden Schneeluft zu schwimmen und zu verschwinden.
    Tiere ließen sich jetzt immer seltener sehen. Ich fragte mich, was sie in ihren Höhlen und Bauen taten. Vielleicht schliefen sie, aber zag, wie man hier sagte. Stets ein Ohr aufrecht, ein Auge nur halb geschlossen. Sie wussten nichts von Ambitionen. Dafür umso mehr von leisem Hunger und Wachsamkeit. Die meisten von ihnen leben solitär. Wenn sie nicht gerade brünstig sind oder säugen, sind sie immer allein. Im Mai spielen die Hasen auf dem Acker Paarungsspiele, jagen einander und erheben sich auf die Hinterbeine, um sich wie kleine Kängurus zu schlagen. Das sieht drollig und schnuckelig aus. Ist aber vermutlich ernst. Gleichwohl haben die Tiere nicht dieses ätzende Bedürfnis, bösartig zueinander zu sein, um ihre Verlassenheit zu mildern. Wir haben es. Weil wir nicht solitär leben, sondern uns scharen? Rangverlust, schlimmstenfalls Ausgrenzung, macht uns verzweifelter als ein Massensterben irgendwo weit weg, als hungernde Kinder, als die Verseuchung von Seen, Flüssen und Meeren.
    Ante stand in der Tür und sagte: »Aber wir haben doch den zweiten Teil noch gar nicht zu Ende gelesen.«
    Im Spätherbst hatten wir wieder begonnen, Bleak House zu lesen. Mister Krook war von all dem Alkohol, den er getrunken hatte, von innen heraus verbrannt und hatte auf Rockärmeln und Fensterbrettern Ruß und widerlich riechendes Öl hinterlassen. Ester war gerade krank geworden. Wir wussten noch nicht, dass es die Pocken waren, ahnten es aber.
    Ich konnte natürlich anbieten, das Buch hierzulassen, aber ich wusste ja, dass er nicht so gern las. Und außerdem ging es nicht nur um Dickens’ Roman. Vielmehr um das, was er zu mir gesagt hatte, als wir in der Neujahrsnacht, nachdem Lillemor gefahren war, im Bett lagen und ich ihm eröffnet hatte, was werden würde.
    »Aber wir haben es doch so wohlig«, hatte er gesagt. »Und da ziehst du fort.«
    »Ich muss«, sagte ich nur.
    Sune war es, der nicht bleiben konnte. Schon als wir Bleak House lasen, hatte ich bei Sir Leicester Dedlock an ihn gedacht: streng gegen jegliche Kleinlichkeit und Niedertracht, redlich, beharrlich, zuverlässig und hochherzig. Dass alle in der Gegend davon sprachen, dass er einen Sohn hatte, der Rauschgift nahm und Einbrüche verübte, und dass er den Jungen terrorisiert habe, ging natürlich nicht an, denn Sune hatte jetzt die Möglichkeit, zur nächsten Reichstagswahl bei den Sozialdemokraten auf einen aussichtsreichen Listenplatz zu kommen. Er musste hier weg. Deshalb hatte er bei der Heimvolkshochschule gekündigt und sich dank seiner parteipolitischen Meriten mit guten Chancen auf einen Schulleiterposten in Bor-länge beworben. Er bekam ihn und trat ihn an. Lillemor war hier noch mit dem Umzug des Rektorenhaushalts beschäftigt, und ich packte meine Ordner und Karteikästen. Ante würde zurückbleiben. Es war zu traurig. Aber was sollte ich machen?
    »Ich komme dich besuchen«, sagte

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