Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Tiere, die daran dachten, was sie fressen würden. Irgendwann starben natürlich alle. Wir waren noch nicht gestorben, und ich wusste auch noch nichts von dem Einschlag in unsere Welt. Es war nichts als ein Maimorgen auf dem Wasser.
Als ich zum Steg kam, sah ich, dass Lillemor blass war. Derlei schreiben Leute in Kriminalromanen ja heute noch: Er wurde blass, sie schauderte, ihr standen die Haare zu Berge, und ihm wurde ganz kalt. Lillemor war jedoch wirklich graublass und sehr ernst. Verdammt, dachte ich. Endlich! Astrid Troj ist tot.
Aber so war es keineswegs.
Lostgården hieß das Haus, das ich oben im Dorf gemietet hatte. Es lag an einer Dorfstraße, wo die Häuser noch wie zu der Zeit vor der Flurbereinigung angeordnet waren. Dort hatte die Witwe eines gewissen Lost Erik Pettersson gewohnt. An den Fenstern hingen noch ihre selbst gewebten Streifengardinen, und auch ihre Flickenteppiche mit zahlreichen Einsprengseln blauer Arbeitskleider waren noch da, ebenso der Klapptisch in der Küche, die Standuhr mit Rosen auf der Tür des Gewichtsgehäuses, die Pfostenstühle, das Paneelsofa, die Kommode aus geflammter Birke mit Frisierspiegel und geklöppeltem Spitzentuch, die Lehnsessel samt bestickten und mit Quasten versehenen Kissen, die Brauttruhe, der Messingleuchter für zwölf Kerzen und die großen, mit Blumen und den Jahreszahlen 1799 und 1812 bemalten Schränke. Der eine hatte zudem ein Zifferblatt und im Innern ein funktionierendes Uhrwerk mit Gewichten. Da die Schläge beider Uhren Tote aufwecken konnten, hatte ich die Gewichte bis zum Boden ablaufen lassen und nicht mehr aufgezogen.
Da waren auch Bierkrüge mit dem für die Gegend typischen Kurbitsdekor gewesen und aus Haaren gestickte Bilder, Schalen aus den kranken Auswüchsen von Birken, Maserknollen genannt, Rietblätter, Schafscheren, Laufgewichtswaagen und anderes, was auf dem Hof früher genutzt wurde, jetzt aber zusammen mit Barometern und Holzbrandbildern an den Wänden hing. Eines der Barometer zeigte konstant auf Erdbeben, doch ich erkannte darin kein Omen. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, hatten Lillemor und ich vorsichtig in Papiertüten vom Konsum in Rättvik verstaut und diese nummeriert. Es sollte beim Auszug möglich sein, hunderterlei Zierstücke in ihre angestammte Ordnung zurückzustellen.
Angefangen hatte alles damit, dass Lillemor und Sune sich unten am See ein Sommerhaus gekauft hatten. Früher weideten dort die Kühe von Lostgården, doch jetzt war der Grund abgeteilt. Man hatte gezimmerte alte Bruchbuden dorthin verfrachtet und daraus Häuser und Schuppen errichtet. Ein Steg aus Stein und Zement wurde bei jeder Eisschmelze Stück für Stück abgetragen, und in die magere Grasnarbe des Grundstücks waren Birkenschösslinge eingedrungen. Überhaupt hatte der Angriff von See und Wildwuchs auf das Anwesen etwas Wütendes an sich, während alles Angepflanzte verkümmerte.
Aber es gab dort Elektrowärme und fließendes Wasser, die Schönheit des Siljans und zum Einschlafen Wellengeplätscher. Eigentlich war es so gedacht, dass die drei Geschwister, die dieses Anwesen von ihrem Vater bekommen hatten, dort den Sommer verbringen und bis ans Ende der Zeiten in ihrem Paradies Weihnachten, Ostern und Mittsommer feiern sollten. Doch sie hatten sich natürlich zerstritten, und die Schwägerinnen zischten wie die Schlangen, wenn sie einander sahen. Außerdem war das Grundstück mit dem Sommerhaus auf der Landzunge im Wert gestiegen, weshalb sie es unbedingt verkaufen wollten, wovon sie zu Lost Eriks Lebzeiten keinen Mucks zu sagen gewagt hatten.
Im selben Winter, in dem Sune die Stelle in Borlänge bekam, erlitt die Witwe auf Lostgården einen Schlaganfall, und die Kinder glaubten schon, sie würde das Zeitliche segnen. Während sie im Krankenhaus lag, verkauften sie das Sommerhaus an den neuen Schulleiter in Borlänge oder vielmehr an seine Frau. Den Hof im Dorf wollten sie verkaufen, sobald die Alte den Geist aufgegeben hätte. Doch sie war zäh und berappelte sich wieder. Sie lag auf der Langzeitpflege, war aber immer noch die Eigentümerin von Lostgården. Das Thema Verkauf wagten die Kinder nicht anzuschneiden. Aber auf Vermietung ließ sie sich ein, weil sie gesagt hatten, dass das leere Haus zu Einbruch und Vandalismus einladen würde. Und so mietete ich es.
Eigentlich war es so gedacht, dass Lillemor zusammen mit Sune nur die Wochenenden in Örnäs verbringen würde, wie das Haus nach der Landzunge, auf der es lag, hieß. In
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