Schwingen der Lust
für die Kranken, kein Ackerbau und keine Viehzucht für eine gesicherte Ernährung, keine Häuser zum Schutz gegen Kälte, Schnee und Sturm, keine Kultur und keine Kunst für die Bildung der Seele“, hielt Maggie dagegen.
Axel nickte bestätigend. „Nur die Stärksten bestehen den täglichen Kampf ums Überleben.“
„Fressen und gefressen werden“, sagte Maggie mit einem verächtlichen Schnauben. „Schönes Paradies. Und dafür sollen Milliarden sterben? Nein, ganz bestimmt nicht.“
„Ich bin froh, dass du so denkst.“
„Dann wolltest du mich auf die Probe stellen?“
„Das würde ich niemals tun, Magdalena“, sagte er. „Ich wollte nur sichergehen, dass du selbst beide Seiten beleuchtest und dass - welche Entscheidung auch immer du treffen magst - sie die deine ist.“
Sie verstand. „Aber egal, wie ich es halte, Ba’Al’T’Azar wird weiter nach mir suchen.“
„Ja“, sagte Axel. „Und wenn er dich findet, wird er ganz bestimmt wieder versuchen, dich dazu zu zwingen, das Siegel zu öffnen und Azra’El zu befreien.“
Maggies Magen verkrampfte bei der Erinnerung und dem Erkennen der Konsequenzen. „Das bedeutet ein Leben auf der Flucht.“
„Sybaris bereitet einen Schutzzauber vor.“
Das war eine gute Nachricht. „Aber früher oder später wird er mich finden, nicht wahr?“
„Ja“, sagte Axel ernst. „Das wird er. Es sei denn, jemand vernichtet ihn vorher.“
Maggie erschrak über die Finsternis in seinen Worten, fasste ihn am Arm und brachte ihn dazu, stehen zu bleiben. „Denk nicht einmal darüber nach, Axel. Bitte!“
„Ich sehe keinen anderen Weg.“
„Dann werden wir einen suchen, verdammt noch mal“, sagte sie aufgebracht, aber auch eisern. „Du hast ihn damals verschont, weil du nicht zum Mörder an deinesgleichen werden wolltest. Ich kann nicht zulassen, dass du ihn jetzt für mich tötest.“
„Es wäre nicht nur für dich, Magdalena“, sagte er. „Es wäre auch die gerechte Strafe für das, was er Virginia angetan hat.“
Maggie schüttelte den Kopf. „Du weißt, sie würde auf gar keinen Fall wollen, dass du dich selbst aufgibst und zum Monster wirst. Schon gar nicht für so etwas Sinnloses wie Rache.“ Wieder dachte sie an Lydia und ihr ungeborenes Kind. Wenn Azazel Ba’Al‘T’Azar tötete, wäre die Gefahr für seine Geburt und sein junges Leben gebannt; aber der Preis wäre viel zu hoch.
Er schwieg eine Weile. Der traurige Glanz in seinen dunklen Augen verriet Maggie, dass er noch immer an Virginia dachte, während er überlegte: so als würde er ihr ganzes langes Leben an seiner Seite noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren lassen. „Nein, das würde sie nicht wollen. Du hast recht.“
Dann nahm er Maggie in die Arme und küsste sie. „Aber ich will dich nicht auch noch verlieren.“
„Uns fällt bestimmt etwas ein“, sagte sie zuversichtlicher, als sie sich in Wirklichkeit fühlte, und dieses Mal hörte sich das Heulen des Wolfes so an, als würde er sie und ihre Hoffnung verhöhnen. Als wüsste er, dass sie keine Chance hatte ... dass die Erfüllung der Prophezeiung unausweichlich war ... und sie nicht nur leiden, sondern auch das Ende der Menschheit herbeiführen würde.
„Halt mich fest“, flüsterte sie, obwohl sie wusste, dass es nur eine Einbildung war, und schmiegte sich schutzsuchend vor ihren eigenen Gedanken und Ängsten an seine breite Brust.
Er legte eine Hand in ihren Nacken und sagte: „Ich werde es nicht zulassen, Magdalena.“
„Solange du bei mir bist, ist alles gut“, hauchte sie leise gegen seine Haut, küsste seine Brust und reckte sich nach oben, um ihre eigenen Lippen mit den seinen zu versiegeln. Sie wollte jetzt nicht mehr verzweifelt sein, nicht mehr hoffen und sich auch nicht mehr ängstigen. Nicht mehr darüber nachdenken, welche unheimliche Macht ihr vom Schicksal und einer entfernten Vorfahrin aufgebürdet worden war und welche Verantwortung damit einherging.
Für die einen war sie die Hoffnung auf die Rückkehr des Paradieses, für die anderen die größte Bedrohung der Menschheit seit der Sintflut. Nein, über all das wollte sie jetzt nicht mehr nachdenken, sondern Kraft schöpfen für das, was noch alles vor ihr liegen mochte.
„Verzaubere mich, Axel“, flüsterte sie gegen die warme Haut seiner Wange.
Er wandte den Kopf und schaute sie mit einem beinahe schon unschuldigen Blick irritiert an.
„Lass mich vergessen“, sagte sie sehnsuchtsvoll. „Nur für ein paar Stunden. Und
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