Schwingen der Lust
Nein, ich glaube, manche Dinge muss man erst erleben, um sie zu glauben.“
„Aber ich hätte dir zumindest früher über mich die Wahrheit sagen sollen.“
Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Sybaris hat ganz recht. Ich war schon mehr als genug irritiert, als ich durch die Zeichen auf deiner Brust den Verdacht hegte, du würdest vielleicht Dämonen anbeten. Was glaubst du, wie ich reagiert hätte, wenn du mir gesagt hättest, dass du selbst eben jener Dämon bist?“
„Ich ... ich bin ...“, sagte er leise, ohne sie anzuschauen. „Ich bin kein Dämon.“
„Das weiß ich jetzt“, erklärte sie und nahm behutsam seine Hand. „Aber, verstehst du, am Anfang dachte ich eben, Azazel sei sogar ein Dämonenfürst. Es war besser, dass ich die Dinge nach und nach erfahren habe. Es war schon so schockierend genug.“
„War es das?“ Er klang traurig, aber verständnisvoll.
„Das war es sogar ganz sicher“, gestand sie. „Und ich brauchte genügend Zeit, alles zu verarbeiten, sonst hätte ich sofort die Flucht ergriffen.“
Jetzt lächelte er. „Und jetzt hattest du genug Zeit?“
Sein fast schon unverschämt spitzbübisches Lächeln drückte einen Knopf ganz tief in ihr drin, und sie seufzte wohlig. „Oh ja.“
Mittlerweile hatten sie die einsame Lichtung passiert und traten nun zwischen die eng stehenden Kiefern und Tannen. Es war wie ein Schritt in eine andere Welt - in eine Zauberwelt. Düster und doch wunderschön. Voller Schatten, die Schutz versprachen statt Gefahr. Die Luft hier war kühl und duftete süß und harzig. In der Ferne heulte ein Wolf; aber so dicht neben Axel hatte Maggie nicht die Spur von Furcht.
„Es tut mir sehr leid, dass Virginia sterben musste“, sagte sie vorsichtig und drückte dabei seine Hand noch ein wenig fester, um ihm Trost zu spenden.
„Es ist nicht deine Schuld“, antwortete er.
„Es fühlt sich aber so an.“
„Bitte, Magdalena, so darfst du auf keinen Fall denken“, sagte er mit belegter Stimme. „Ba’Al’T’Azar hat sie ermordet - nicht du. Und das völlig ohne Grund. Nur aus Wut heraus. Oder, was noch sehr viel wahrscheinlicher ist, aus reiner, grausamer Freude am Töten.“
„Wieso tut er so etwas?“
Axel zuckte mit den breiten Schultern, und Maggie erkannte an seinem Blick, dass er sich an frühere Zeiten erinnerte. „Er hat sich sehr verändert im Laufe der Jahrtausende.“ Sie konnte den Schmerz sehen, den diese Erinnerungen in ihm verursachten und entschied, dass es besser war, das Thema zu wechseln. „Was sollen wir jetzt tun?“
„Das liegt an dir, Magdalena“, sagte er, und sein Blick klärte wieder auf. „Du allein hast die Macht, das Siegel zu öffnen und den Abaddon zu befreien.“
„Eine Macht, auf die ich nur allzu gerne verzichten könnte“, sagte sie sarkastisch.
„Willkommen im Club“, sagte er und lächelte sie mitfühlend an. „Doch du hast sie nun einmal.“
„Aber ich werde sie nie einsetzen.“
„Das zu entscheiden, obliegt dir.“
„Was gibt es da zu entscheiden?“, fragte sie verwundert. „Wenn ich es tue, vernichtet Azra’El die Menschheit.“ Doch sie dachte in erster Linie gar nicht an die ganze Menschheit. Sie dachte an ihre Mutter, an Larry und vor allem an Lydia und ihr noch nicht geborenes Baby. „Das ist keine Option.“
Axel legte die ansonsten glatte Stirn in kummervolle Falten. „In einem mag Ba’Al’T’Azar recht haben.“
„Womit?“
„Die Menschen gehen nicht gerade sorgfältig mit dem Leben und dem Planeten um.“
„Worauf willst du hinaus?“
Er zögerte, ehe er weitersprach. „Es vergeht nicht ein Tag, an dem ich mich nicht frage, ob es wirklich gut war, ihnen all das beigebracht zu haben, womit sie sich jetzt gegenseitig, aber auch die Natur zerstören.“
„Du gibst dir die Schuld daran?“
Axel seufzte tief und lange. „Vielleicht habe ich doch das Böse in die Welt gesetzt.“
Maggie dachte lange darüber nach, während sie über das sattgrüne Moos schritten. „Weißt du, Axel, wenn du den Menschen damals nicht geholfen hättest, würden wir vielleicht heute noch in Höhlen leben ... und von der Hand in den Mund. Wir wären sehr, sehr viel weniger an Zahl und nur eine unter vielen Tierarten.“
„Manche würden das das Paradies nennen“, sagte er nachdenklich. „Ein unverderbtes Leben in der freien Natur. Keine Technologie, keine Zivilisation. Eine Existenz in vollkommener Harmonie und im Einklang mit der Schöpfung.“
„Und zugleich keine Medizin
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