Schwingen der Lust
war.
„Nein“, rief sie verzweifelt, und dennoch ging sie ununterbrochen weiter.
Hier war etwas faul. Ganz gewaltig faul.
An der Seite des Sarkophags konnte sie in den seltsam fremdartigen Stein gehauene Flügel erkennen ... und am Fuß des Sarkophags eine Hieroglyphenkartusche, in die drei Rosenblüten, ein Kelch und ein Schwan eingraviert waren.
Tazz deutete darauf. „Das Siegel der Neferkara, der ersten Königin der Welt. Deine Urahnin. Öffne es.“
Maggie blieb stehen. Er hatte sie zwingen können, über den Pfad zu gehen, aber gegen den Befehl, das Siegel zu öffnen, konnte sie sich wehren. Sie erinnerte sich daran, was Axel zu Tazz auf der Aztekenpyramide gesagt hatte.
Auch mit dem Di’Mai kannst du sie nicht zwingen. Sie muss es aus freiem Willen heraus tun.
„Worauf wartest du?“, brüllte Tazz.
„Was wird geschehen, wenn ich es öffne?“
„Das habe ich dir bereits gesagt“, erwiderte Tazz gereizt. „Das Paradies wird auf die Erde zurückkehren.“
„Wie?“
„Das ist doch vollkommen egal“, stieß er hinter vor Wut zusammengebissenen Zähnen hervor. „Die Hauptsache ist, es ist dann endlich wiederhergestellt.“
„Du verschweigst mir etwas.“
Er schnaubte wütend. „Nichts, was dich interessieren müsste. Öffne endlich das Siegel.“
„Nein“, sagte sie, klar und bestimmt.
Mit einem Schrei voller Wut verlor Tazz jeden Rest seiner nur noch mühsam bewahrten Geduld. Er sprang auf sie zu, packte sie mit seiner riesigen Hand am Hals und hob sie mit einer Leichtigkeit in die Höhe, als wöge sie nur ein paar Gramm.
Sie bekam kaum noch Luft und strampelte mit ihren Füßen. Am liebsten hätte sie ihn getreten, doch er hielt den Arm ausgestreckt, und sie kam nicht an ihn heran.
„Öffne es!“, verlangte er mit einem gefährlichen Knurren in der Kehle. „Stell die Göttliche Ordnung wieder her.“
„N-nein“, röchelte Maggie und rang nach Atem. „N- nicht, solange ich nicht weiß, wer da drin liegt und was passieren wird, wenn ich ihn oder sie da rauslasse.“
„Oh, dieser dreimal verfluchte freie Wille, mit dem ihr sterblichen Wichte erschaffen worden seid!“, schnaubte Tazz verächtlich. „Er hat schon damals alles kaputt gemacht. Erfülle deine Bestimmung, und öffne dieses verdammte Siegel.“
„Ist dir schon einmal aufgefallen, wie sehr das Konzept vom Freien Willen und die Idee von Bestimmungen und Prophezeiungen einander widersprechen?“, fragte Maggie keuchend.
„Was?“, fragte er verwirrt.
„Es muss einen Grund dafür geben, dass ich es nur aus freien Stücken heraus öffnen kann und du mich nicht dazu zwingen kannst“, erklärte sie unter großer Anstrengung. „Axel hatte recht: Ich bin meine eigene Herrin und nicht wie du Sklave einer Prophezeiung.“
Tazz’ Augen zogen sich zu schmalen, gefährlich funkelnden Schlitzen zusammen. „Das stimmt: Ich kann dich nicht dazu zwingen, es zu öffnen. Aber, glaube mir, wenn du es nicht freiwillig tust und ich erst einmal mit dir fertig bin, wirst du mich auf Knien anflehen, es öffnen zu dürfen.“
„Du kannst mich nicht töten.“
„Aber ich kann dir sehr, sehr viel Schlimmeres antun.“ Mit der freien Hand riss er ihr das Kleid vom Leib und warf es in den See. Dann drückte er mit dem Daumennagel auf die Rippen unter ihrer linken Brust und fuhr damit über die Haut. Der Nagel war messerscharf.
Maggie schrie auf, und sie fühlte, wie ihr Blut über die Seite herablief. Der Schmerz und der Mangel an Luft machten sie schwindlig - und gleichzeitig, auf eine Art, die sie nicht näher hätte erklären können, wütender und wehrhafter.
„Willst du mir so das Paradies verkaufen, Engel?“, schrie sie ihn zornig an. „Mit Gewalt und Schmerz?“
Statt zu antworten, schlug er ihr mit einer weit ausgeholten Rückhand ins Gesicht.
Er traf sie am Jochbein, und Tränen schossen ihr in die Augen. Sie schmeckte ihr eigenes Blut.
„Öffne das Siegel!“, schrie er. „Ich werde nicht zulassen, dass ein Menschlein alles verdirbt, wofür ich kämpfe.“
Zum wiederholten Male sprach er so verächtlich von den Menschen, dass Maggie nicht anders konnte als zu fragen: „Wenn du die Menschen so sehr hasst, warum willst du dann das Paradies zurückhaben? Denn wenn ich mich nicht irre, ist das Paradies ein Ort für Menschen, nicht für Engel. Was genau hast du also vor?“
Er verstärkte den Druck an ihrem Hals, und sie krächzte.
Es fühlte sich an, als würde er ihr gleich die Luftröhre zerquetschen - und
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