Schwingen der Lust
hatte er seines Erachtens nach gemacht, als er sich nach der Pyramide nicht zunächst die Zeit genommen hatte, sie ausgiebig selbst zu verführen, um sie für sich zu gewinnen. Er hätte das Di’Mai dazu einsetzen sollen, sie zwei, drei Tage und Nächte von einer Euphorie zur nächsten zu jagen, bis sie Wachs in seinen Händen gewesen wäre und sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand gefressen hätte.
So hätte er mit Leichtigkeit dafür sorgen können, dass sie über den Rausch, in den er sie versetzt hätte, Azazel vergaß und alles, womit er sie manipuliert hatte. Und danach hätte sie die Wiederherstellung des Paradieses als das erstrebenswerteste Ziel ihres Lebens betrachtet.
Aber er wusste zugleich ganz genau, warum er das nicht getan hatte. Er hatte schlichtweg den Gedanken nicht ertragen, mit einer Frau zu schlafen, oder auch nur intim zu berühren, die es schon mit Azazel getrieben hatte - und wunderte sich ohnehin, wie sie dermaßen befleckt noch rein genug sein konnte, das Siegel zu öffnen.
Mühsam stand er auf, unterdrückte den Schmerz in seinen geschundenen Gliedern und reckte das Gesicht nach oben, um die Luft und ihre Witterung durch die Nase einzusaugen.
Ba’Al’T’Azar brauchte eine kleine Weile, doch dann hatte er sie. Sie waren nach Norden geflogen - und er würde ihnen bald folgen. Azazel musste langsam fliegen wegen der Abgal. Es dürfte nicht schwer sein, sie wieder einzuholen.
Den Schmerz ignorierend öffnete er die bluttränenden Augen und ließ die Sonne ihre heilende Wirkung tun. Er konnte bereits wieder hell und dunkel voneinander unterscheiden.
Plötzlich huschten mehrere große dunkle Flecke durch sein trübes Gesichtsfeld, und gleich darauf hörte er das laute Schlagen von gewaltigen Flügeln um sich herum und das Geräusch von Füßen, die auf sandigen Steinplatten landeten.
„Ani’El“, sagte er und drehte sich zu einem der größten der insgesamt sechs Schatten herum.
„T’Azar“, grüßte sie knapp zurück. Ihre Stimme klang kühl und distanziert.
„Wieso seid ihr hierhergekommen?“, fragte er, durch die strenge Note in ihrer Stimme augenblicklich argwöhnisch geworden. „Und dann auch noch ihr alle.“
„Kannst du dir das denn nicht denken, Bruder?“, fragte sie.
„Nein, kann ich nicht. Ich habe alles im Griff“, sagte er. „Ich brauche eure Unterstützung nicht.“
„Ja, ich fürchte, du glaubst tatsächlich noch immer, du hättest alles im Griff“, sagte Ani’El kühl und trat näher zu ihm heran. „Zu deiner Information: Wir sind nicht zu deiner Unterstützung hier.“
„Weshalb dann?“
„Du bist zu weit gegangen“, antwortete Ani’El. „Viel zu weit. Die Malikat, die Keres ...“
„Die Malikat lebt“, unterbrach Ba’Al’T’Azar sie hastig, als er merkte, dass sie bereits mehr wussten, als ihm lieb sein konnte. „Ich habe ihr kein Leid zugefügt.“
„Du hast eine der Elohim gegen alle Alten Gesetze dazu verführt, einem Engel Informationen über einen Menschen zu geben“, entgegnete sie grimmig. „Dazu, Bruder, hattest du nicht nur kein Recht, es ist dir sogar ausdrücklich verboten.“
„Ich habe nur getan, was getan werden musste.“ Allmählich wurde seine Sicht besser, und er erkannte, dass die Sechs ihn umringt hatten. Sie hielten ihre blank gezogenen Waffen in den Händen.
Kein gutes Zeichen.
Wie um alles in der Welt konnten sie nur so verbohrt sein? Sie mussten doch genau wie er endlich einsehen, dass die außergewöhnlichen Umstände auch außergewöhnliches Vorgehen erforderten. „Ani’El, die Alten Gesetze dürfen keinen Bestand haben, wenn sie uns daran hindern, die Prophezeiung zu erfüllen.“
„Wir erfüllen keine Prophezeiungen, T’Azar“, sagte Ani’El, jetzt noch strenger. „Wir überbringen sie nur. Wir sind Boten und können uns lediglich darauf verlassen, dass sie sich erfüllen; nicht aber ihre Erfüllung mit eigener Kraft herbeiführen.“
„Aber ...“
„Und was die Alten Gesetze betrifft“, fuhr sie fort, ohne sich von ihm unterbrechen zu lassen, „der Rat der B’Nai Elohim existiert nur, um genau sie zu schützen.“
„Diese veraltete Einstellung hat doch überhaupt erst zu der ganzen Misere geführt“, erwiderte T’Azar.
„Es ist keine Einstellung, Bruder“, sagte Ani’El. „Es ist unsere Berufung. Der alleinige Zweck unserer Existenz.“
„Es ist nicht mein Fehler, dass du dich damit zufriedengibst.“ T’Azars Worte trieften vor Verachtung.
„Soll ich
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