Schwingen der Lust
Schließlich waren sie hier in Transsylvanien.
Axel runzelte die Stirn. „Eine was?“
„Eine Keres“, sagte Maggie vorsichtig. „Wie Virginia.“
Bei der Erwähnung des Namens fiel ein Schatten der Trauer auf Axels Gesicht.
„Nein“, sagte er bloß. „Ihr Name ist Sybaris.“
Dass er nicht mehr sagte, obwohl Maggie spürte, dass die alte Frau kein normaler Mensch sein konnte, vertiefte das Misstrauen, das sie ihm gegenüber seit Tazz’ Offenbarung empfand.
Und ihre Angst.
Am liebsten wäre sie davongerannt. Aber sie wusste, dass sie alleine keine Chance hatte, sich irgendwo anders auf der Welt vor Tazz zu verstecken - und der würde sie, wenn er sie erst einmal gefunden hatte, zweifelsfrei wieder foltern. So lange foltern, bis sie schließlich tun würde, was er von ihr verlangte.
„Ich weiß, dass du mir nicht mehr vertraust“, sagte Axel schwermütig. „Und du hast wahrlich allen Grund dazu, Magdalena. Aber trotzdem müssen wir uns jetzt erst einmal verstecken, und deine Wunden müssen schnellstens versorgt werden.“
Er machte eine Geste in Richtung der Tür. Sein Blick war besorgt - und schmerzerfüllt. „Glaub mir, bitte. Wenn ich gewusst oder auch nur geahnt hätte, wie die Dinge enden, hätte ich sie ganz gewiss anders begonnen. Es lag nie in meiner Absicht, dich zu verletzen ... oder zuzulassen, dass andere dir wehtun ..."
Sie war zu verwirrt, um zu fühlen, ob er die Wahrheit sagte, und ihr Herz tat weh, weil, wenn das die Wahrheit war, sie doch nichts an den Tatsachen änderte - nämlich dass er nicht von Anfang an mit offenen Karten gespielt hatte; dass er versucht hatte, ihr seine Identität zu verheimlichen ... und ihre eigene, die sie jetzt immer noch nicht kannte.
Was hätte er getan, wenn sie nicht hinter das Geheimnis seiner wahren Natur gekommen wäre? Und wenn Tazz ihr nicht gesagt hätte, dass es eine Prophezeiung über sie gab und sie die Macht hatte, das Paradies auf die Erde zurückzubringen?
Hatte Axel sie nur deswegen verführt und verzaubert, weil - wie Tazz behauptet hatte - es nicht in seiner Macht stand, sie zu töten? Um auf jeden Fall zu verhindern, dass sie die Prophezeiung erfüllte?
Und waren sie vielleicht jetzt nur hier, damit er sie verstecken konnte - aber nicht zu ihrer Sicherheit, sondern zu seiner?
„Bin ich deine Gefangene?“, fragte sie ihn daher ganz direkt und schaute ihm in die Augen, um zu sehen, wie er wohl reagieren würde.
„Was?“ Die Überraschung in seinem Blick schien ehrlich - aber konnte Maggie nach alldem, was geschehen war, überhaupt noch ihren Augen trauen?
„Das war eine sehr einfache Frage, Axel“, sagte sie. „Und ich erwarte eine einfache Antwort. Willst du mich hier einkerkern, um zu verhindern, dass ich die Prophezeiung erfülle?“
Axels Gesicht wurde plötzlich ganz leer, und einen weiteren Herzschlag später lief ihm eine Träne über die Wange.
In Maggies Brust schnürte sich etwas zusammen, als sie ihn so sah, und sie hätte ihn am liebsten sofort wieder um Verzeihung gebeten für ihre Frage. Aber da bestand noch immer die Möglichkeit, dass er ihr nur etwas vorspielte.
Was wusste sie schon über ihn?
Es wäre schließlich wirklich nicht das erste Mal, dass er sie täuschte. Sie musste nur daran zurückdenken, wie er in ihr Leben getreten war. Aufs Auto gefallen ... bei einer nächtlichen Immobilienbesichtigung ... wegen einer losen Planke.
Von wegen!
Alles, was sie bisher für ihn empfunden hatte, war durch sein Versteckspiel auf den Kopf gestellt worden. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal ihrer Instinkte so unsicher gewesen war.
Also kämpfte sie das Mitleid für ihn nieder und auch das schnürende Gefühl in ihrer Brust. „Beantworte meine Frage“, sagte sie so fest sie konnte.
„Weißt du, wer Virginia war?“, fragte er sie, statt zu antworten.
„Du weichst mir aus“, warf sie ihm vor.
„Nein, das tue ich nicht, Magdalena“, erwiderte er. „Weißt du, wer Virginia war?“
„Deine Haushälterin? Deine Assistentin? Deine Hohepriesterin? Deine Geliebte?“, zählte Maggie auf.
Axels Gesicht wurde dunkel, und für einen Sekundenbruchteil konnte Maggie den Löwenkopf und die Widderhörner sehen.
„Sprich bitte nicht so von ihr, Magdalena“, sagte er mit einem knurrenden Unterton, und eine zweite Träne floss über seine Wange. „Virginia war meine Tochter.“
Seine Tochter?
Das war ein Schock! Schon wieder verspürte Maggie den Impuls, sich für ihre
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