Schwingen der Lust
Worte entschuldigen zu müssen und ihm die Tränen von seinem Gesicht zu streicheln.
Er musste sich sammeln, ehe er weitersprach. „Sie war weit über viertausend Jahre alt ... und sie war das unschuldigste Wesen, das diese Erde jemals gesehen hat ... und sie hat ihr Leben für mich und auch für dich geopfert ... Ba’Al’T’Azar hätte uns sonst schon sehr viel früher angegriffen.“
„Sie hat ...?“ Maggie fand keine Worte.
Axel nickte. „So wie ich bereit war, das meine auf der Pyramide zu opfern, damit du Ba’Al’T’Azars wahre Natur mit eigenen Augen erkennst und siehst, wozu er in der Lage ist.“
Virginia war seine Tochter? Die Frage echote noch immer durch ihr Hirn, und Maggie erinnerte sich daran, wie Virginia Axel angefleht hatte, sie wegzubringen und ihn gewarnt hatte, dass er durch sie aufgespürt werden konnte ... und trotz allem hatte sie ihr Leben für sie geopfert? Ihr ewiges Leben?
„Nein, Magdalena“, sagte Axel, „du bist nicht meine Gefangene. Das erkennst du jetzt hoffentlich, auch ohne es erst laut fragen zu müssen.“
„Axel ...“
Doch er sprach weiter. „Also, wenn du gehen willst, geh einfach. Oder bitte mich, dich von hier wegzubringen. Ich bringe dich, wohin immer du willst. Sogar zurück nach Karnak zu dem Sarkophag, wenn das dein Wunsch sein sollte. Dort kannst du dann das Siegel öffnen, auch ohne dass Ba’Al’T’Azar dich erst mit Gewalt dazu zwingen muss. Es ist ganz alleine deine Entscheidung. Dein freier Wille.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten oder sich noch einmal zu ihr herumzudrehen, ging er gesenkten Hauptes zu der Hütte und trat durch die Tür in das dahinterliegende Dunkel.
Maggie entschied sich, besser keine weiteren Urteile mehr zu fällen, ehe sie nicht die ganze Wahrheit und sämtliche Hintergründe kannte, und folgte ihm mit schleppendem Gang.
Sie staunte nicht schlecht, als sie über die Türschwelle humpelte und erkannte, dass die kleine Hütte nur der unscheinbare Eingang war zu einer sehr, sehr viel größeren Höhle, die freundlich warm von einem in ihrer Mitte brennenden Feuer erhellt wurde. Von einem hohen Dreifuß in den Flammen hing ein schwarzer Kessel, in dem etwas brodelte, das einen wunderbaren Duft verströmte. Augenblicklich lief Maggie das Wasser im Mund zusammen.
In der Nähe des Feuers stand ein grob gearbeiteter Tisch mit vier Stühlen, und auf der anderen Seite ein dick mit Ziegenfellen bedecktes Bett. Die Wände waren mit ähnlichen Symbolen verziert wie Axels Haus in der Fifth Avenue. Das hintere Ende lag zwar im Schatten, aber Maggie konnte erkennen, dass es dort einen weiteren Zugang gab, noch weiter in die Felsenklippe hinein.
Wieder war sie unschlüssig, ob sie sich hier in Sicherheit fühlen sollte oder gefangen.
„Ich habe frische Kleidung für dich und einen wunderbaren Ziegengulasch gekocht“, sagte die Alte, während sie gerade große Stücke roter Paprikaschoten in den Kessel hinein schnitt. „Aber erst werde ich deine Wunden versorgen. Leg dich aufs Bett.“
Maggie schaute Axel an. „Kannst du nicht ...?“
„Ich habe all meine Kraft aufgebraucht, mich nach seinem ersten Angriff selbst zu heilen und dann die Kette zu schmieden“, sagte er. „Es wird bestimmt noch einige Stunden dauern, bis ich völlig wiederhergestellt bin und meine Kräfte zu deiner Genesung einsetzen kann. Sybaris ist sehr viel schneller.“
Zögernd legte sie sich auf das Bett, das zu ihrer Verwunderung angenehm frisch duftete und herrlich weich war.
Die Alte wusch sich die Hände unter einem kleinen Strahl frischen Quellwassers, das aus der Wand herausfloss. Dann ging sie zu einem Schrank, der ebenso grob gezimmert war wie die restlichen Möbel und öffnete die Türen.
Maggie konnte zahlreiche Fläschchen, Tonkrüge, Einmachgläser und Phiolen darin erkennen.
„Ein Engel hat ihr das angetan?“, fragte die Alte Axel mit vor Besorgnis gerunzelter Stirn.
„Ein Seraph“, konkretisierte Axel.
„Oh“, machte sie erstaunt und stöberte durch die Reihen der Behältnisse, dabei die Beschriftung der Etiketten leise vor sich hin murmelnd, bis sie gefunden hatte, wonach sie suchte. Sie stellte ein Einmachglas, eine kleine irdene Flasche, ein abgewetztes Stoffsäckchen und einen Mörser aus Granitstein auf ein Holztablett und trug es hinüber zu einem niedrigen Tisch, der neben dem Bett stand.
„Soso, ein Seraph“, sagte sie vor sich hin und holte sich einen der Stühle. Sie setzte sich, zündete eine Kerze an und begann, die
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