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Schwingen der Lust

Schwingen der Lust

Titel: Schwingen der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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nichts verschwiegen hast. Bis auf die Kleinigkeit, dass es da eine Prophezeiung gibt, der zufolge ich dazu auserkoren bin, das Paradies wiederherzustellen. Wie hätte ich denn bitte schön ahnen sollen, dass der charmante Filmproduzent in Wahrheit ein Racheengel ist, der es auf mich und dich abgesehen hatte?“
    „Er hat dir erzählt, es sei dir bestimmt, das Paradies wiederherzustellen?“, fragte Axel und schaute sie erstaunt an.
    „Ja“, antwortete sie.
    „Das Paradies wiederherstellen“, wiederholte er mit einem Stirnrunzeln. „So kann man das, was mein Bruder vorhat, natürlich auch nennen.“
    Die Ironie in seiner Stimme war schwerlich überhörbar, deswegen fragte Maggie: „Wie würdest du es denn formulieren?“
    „Ich würde das, was er plant und wozu er dich so dringend braucht, das Jüngste Gericht nennen“, antwortete er mit finsterer Miene. „Oder auch die Vernichtung der Menschheit. Armageddon. Die Apokalypse. Den Weltuntergang. Such dir was aus.“
    „Was?“ Maggie war schockiert.
    „Ich erkläre es dir, wenn wir erst einmal in Sicherheit vor ihm sind. Es dauert nur noch ein paar Minuten.“
    Sie verloren immer schneller an Höhe, und zu den Schmerzen und der Kälte gesellte sich nun durch den rapiden Höhenverlust auch noch leichte Übelkeit.
    Maggie beschloss daher, Axels Bitte fürs Erste nachzukommen und nicht weiter zu fragen. Sie hatte Angst, sie würde sich übergeben müssen, wenn sie auch nur den Mund aufmachte.
    Nun, da sie endlich wieder Land sah, kam ihr der Flug in Relation zu den sich immer schneller nähernden, schroffen Bergspitzen noch steiler und rasanter vor.
    Nach wenigen Sekunden, die ihr wie kleine Ewigkeiten erschienen, landeten sie schließlich sanft am östlichen Innenrand des Kessels auf einer Waldlichtung, hinter der die Berge aufragten wie eine Festungsmauer. Wenige Meter entfernt, dort, wo der Waldboden in die Felsenklippe überging, stand eine uralte, windschiefe Holzhütte; direkt an den nackten Stein gebaut.
    Aus dem grob gemauerten und mit Moos bewachsenen Schornstein stieg eine dünne graue Rauchsäule, und in einem aus krummen Ästen und Zweigen errichteten Gehege grasten ein halbes Dutzend eher wild aussehende Ziegen. Die Tiere starrten sie mit ihren quer geschlitzten Augen neugierig an und schienen ihre Schritte genau zu verfolgen.
    Hier wohnte ganz offensichtlich jemand - Maggie, der es wegen ihrer Schmerzen schwerfiel, alleine zu stehen, fragte sich, wie man nur so weit weg von jeglicher Zivilisation an einem solch unwirtlichen Ort leben konnte.
    Alles wirkte so gespenstisch und düster, und Maggie erkannte bei genauerem Hinsehen, dass von den maroden Dachschindeln, die über die vordere Wand der Hütte ragten, kleine gebleichte Knochen, Hörner und die Skelette winziger Tiere baumelten.
    Die nur aus dünnen Brettern voller Astlöcher genagelte Tür schwang mit einem tiefen Knarren auf, und eine alte Frau trat heraus; hager, aber hochgewachsen. Maggie fand, sie sah gleichzeitig alt und zerbrechlich und doch irgendwie auch stolz und majestätisch aus.
    Das weißgraue Haar fiel fast bis zu ihren Füßen herab und bedeckte ihre ärmliche Kleidung wie ein faseriger Mantel. In ihrer beinahe schon knöchrig mageren Rechten hielt sie einen fast mannshohen Stab, von dessen oberen Ende drei kleine Fledermausschädel und Krähenfedern herabhingen.
    Gruselig.
    Jetzt wurde Maggie sich auch ihrer Nacktheit wieder bewusst, und sie war ihr äußerst unangenehm. Die Alte jedoch schien sie gar nicht wahrzunehmen.
    „Es ist lange her“, sagte sie mit einer leichten Verbeugung in Richtung Axel.
    „Eine Ewigkeit“, stimmte er zu.
    „Ja, eine Ewigkeit. Das kann man wohl, ganz ohne zu übertreiben, so sagen. Wie schnell doch die Zeit vergeht.“
    „Wir brauchen ein Versteck“, erklärte Axel, und die Alte blickte unwillkürlich zum dicht bewölkten Himmel hinauf.
    „Sie sind wieder auf der Jagd nach dir?“
    Axel nickte.
    „Dann kommt herein, mein Junge“, sagte sie. „Schnell.“ Damit drehte sie sich herum und verschwand wieder in der Hütte.
    Maggie fühlte sich unbehaglich, und als Axel sie stützend zur Hütte führen wollte, zögerte sie.
    „Was ist?“, fragte Axel.
    „Sie hat dich ’mein Junge’ genannt.“
    „Ja, das macht sie manchmal.“ Ein leises Lächeln huschte über seine Mundwinkel.
    „Ist sie auch eine ...?“ Maggie traute sich gar nicht, die Frage zu vollenden - aus Angst davor, sie könnte mit ihrer Vermutung richtig liegen.

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