Schwingen der Nacht
Rücken an einen dicken Ahornbaum.
So weit von der Straße entfernt reichte das Licht der Straßenlaternen kaum bis zu ihnen herüber.
Sofort war Harris an ihrer Seite. “Hey, geht es dir gut?”
“Mmm-hmm.” Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. “Ich bin heute nur etwas müde.”
Ihm war schon am Morgen aufgefallen, wie blass sie gewesen war und wie wackelig auf den Beinen. Und nun war sie müde? Clair war nie müde. Verdammt, für gewöhnlich war er der Erste, der aus der Puste war, wenn sie gemeinsam joggten. Und das, obwohl er in extrem guter Form war. Wie alle Feuerwehrleute.
“Gut in Form” traf übrigens auch auf Clair zu – und er meinte das nicht gesundheitlich, obwohl auch das stimmte. Ihr weißes Hemdchen und ihre Shorts reflektierten das weiche Licht des Mondes und betonten ihre Kurven. Ihr Körper sah weiblicher aus als jemals zuvor.
Sie stützte eine Ferse am dicken Stamm des Baumes ab. In dieser Haltung kamen ihre langen Beine besonders gut zur Geltung. Harris’ Mund war mit einem Mal trocken. Ihr schulterlanges braunes Haar, das sie heute offen trug, wehte in der leichten Brise. Es juckte ihn in den Fingern, ihr die Haare zurückzustreichen. Doch er widerstand dem Drang.
Die Augen noch immer geschlossen, lächelte Clair.
“Warum”, fragte Harris skeptisch, “lächelst du so?”
Sie schlug die Augen auf und neigte den Kopf. “Wie denn?”
“Als hättest du ein Geheimnis.”
Einen winzigen Moment lang glaubte Harris zu sehen, wie in ihren Augen Beunruhigung aufblitzte. Dann löste sie sich von dem Baum. “Sei nicht albern. Darf eine Frau nicht lächeln?”
“Doch. Klar.” Er stemmte die Hände in die Hüften. “Wenn sie einen Grund dazu hat.”
“Ich bin glücklich”, versetzte Clair knapp – in einem ziemlich unglücklichen Tonfall. “Ich fühle mich gut. Die Luft ist frisch, und deine Gesellschaft war – bis eben – nicht ganz so schrecklich, also hab ich gelächelt.” Sie schob sich an ihm vorbei. “Den Fehler mache ich nicht noch mal.”
Harris ergriff ihren Arm und drehte sie um. Sie taumelte gegen seine Brust, wich jedoch schnell zurück. “Du wirst zu leicht und zu schnell wütend.”
Nur ein kleines bisschen gab sie nach, wand sich aus seinem Griff und schlang die Arme um ihren Körper. “Ich bin nicht wütend”, erwiderte sie trotzig.
“Nein? Was dann?”
Sie sah ihn an. In ihrem Gesicht wechselten sich die unterschiedlichsten Ausdrücke ab, ehe sie begann, ihn langsam zu umkreisen. Harris drehte sich, um sie im Blick zu behalten.
“Du hast mir gesagt, dass ich nichts von Lust verstehe.”
Oh, verdammt.
Zuerst die BHs und jetzt das. Bis auf das wilde Hämmern seines Herzens und das Aufflackern seines männlichen Interesses wurde Harris ganz still. “Ja.”
Halt den Mund, Harris, und lass es gut sein …
“Und?”
“Du hast dich geirrt.”
Er hätte nicht auf eine Erklärung drängen sollen. “Habe ich das?”
Sie nickte. “Ich bin … sehnsüchtig. Und der Typ, nach dem du gefragt hast? Wir haben uns vor zwei Monaten getrennt.” Mit einem unschuldig verführerischen Augenaufschlag sah sie zu Harris. “Seitdem habe ich mich mit keinem Mann mehr getroffen.”
Er konnte nicht glauben, dass er gerade diese Unterhaltung mit ihr führte. Nicht mit seiner platonischen Freundin. Nicht ohne ein Bett in der Nähe. Er machte einen Schritt zurück. “Alles klar. Verstanden. Vielleicht hilft ein … äh … Lauf.”
“Nein. Ich muss einen neuen Mann finden.” Als hätte sie nicht soeben eine verbale Bombe platzen lassen, wandte Clair sich ab und ging zurück zum Fußweg. “In der Zwischenzeit erschöpft mich das Joggen genug, damit ich nachts schlafen kann und mich nicht meinen Fantasien hingebe.”
Ihren Fantasien! Okay, wahrscheinlich hatten alle Frauen Fantasien. Genau wie die Männer. Aber Clair? Harris rannte ihr hinterher. “Was zum Teufel soll das heißen? Dass du einen neuen Mann finden musst? Bei dir klingt das wie eine Shoppingtour.”
Sie schenkte seinem wütenden Ausbruch keine Beachtung. “Komm schon. Lass uns weiterlaufen.” Anstatt auf ihn zu warten, lief sie los und zwang Harris damit, sie einzuholen.
Weil er inzwischen selbst verärgert war, brauchte er nur zwei lange Schritte, um an ihrer Seite zu sein. “Und wo hast du vor, nach diesem neuen Mann zu suchen?”
“Keine Ahnung.” Über den Rand ihrer Brille hinweg sah sie ihn an. “Hast du einen Vorschlag?”
So eine Frechheit.
“Du kannst mir
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