Schwingen des Vergessens
ich sogar eine eigene Zelle. Eine Tapete wollten sie mir nicht geben, aber so schlimm war es dann doch nicht. Schwarz weiße Wände sind meiner Meinung nach auch mal interessant, außerdem finde ich, dass Amelie sich besser im Knast machen würde als ich. Da wäre sie unter ihresgleichen.“
Und so weiter. Tränen tropften auf die Laptoptastatur des Mädchens. Nein, das konnte nicht wahr sein, schließlich hatte sie es geschafft, sich halbwegs normal zu benehmen und im Hintergrund zu bleiben. Im Gegensatz zu anderen. Auch Dylan, sein Nickname lautete schlicht und einfach _Dylan_, war unter den Kommentatoren, nur seinen Kommentar las sie noch kurz durch.
„Wisst ihr was? Ich hab der Kleinen schon eine Nachricht geschickt, ihre Nummer hab ich ja nicht, sie hat wahrscheinlich eh kein Handy. Und der Feigling traut sich nicht einmal, zu antworten. Zwar habe ich mir das schon erwartet, aber naja, Pech gehabt. Es macht eh viel mehr Spaß, das hinter ihrem Rücken auszudiskutieren.“
Laut seinen Worten war es also doch eine gute Entscheidung, die E-Mail gleich zu löschen. Gerne hätte Amelie einen bösen Kommentar unter ihr eigenes Bild geschrieben, doch es war besser, sie würde es sein lassen. Traurig meldete sie das Bild und öffnete ihre Nachrichten, wahrscheinlich erhoffte sie sich, ein paar Entschuldigungen bekommen zu haben, doch da war keine einzige neue Nachricht. Erschöpft öffnete sie ihr Konto und änderte ihr Profilbild in ein schwarzes Feld, besser, sie würde keinem ihr Gesicht zeigen, auch wenn es nur ein verrücktes Faschingsfoto war, auf dem sie nicht einmal verkleidet war. Bis jetzt wusste hoffentlich niemand, wie sie auf „friendsplace“ tatsächlich hieß. Wolfsmädchen, der Name hatte ihr gefallen, sonst verwendete sie ihn nämlich nirgends und so war die Wahrscheinlichkeit winzig, dass jemand sie hier fertig machen würde. Da war sie wohl falsch gelegen. Gerade als Amelie sich ausloggen wollte, ertönte das so selten erklingende Geräusch, das bei einer neuen Nachricht ertönte.
1.4 ~*~ Wer ist das?
„Eine neue Nachricht von Unknown, 15:06“, leuchtete in der orangenen Farbe von der Internetseite auf. Neugierig öffnete sie die Nachricht, der Nickname Unknown war ihr bis jetzt noch nie untergekommen, deshalb konnte er nicht von irgendeinem Typ aus ihrer Klasse sein. Oder jemand hatte sich zum Spaß einen Account angelegt, um andere Mädchen zu belästigen, allzu selten war es natürlich nicht vorgekommen, bei ihr selbst allerdings noch nie.
„Hallo Wolfsmädchen. Ich habe deinen Account hier auf „friendsplace“ entdeckt und würde mich sehr freuen, wenn du mir eine Nachricht zurück senden kannst. Mein Name hier ist Unknown, wie du bestimmt bereits bemerkt hast, und ich suche noch Freunde. Wenn du mir eine Freundschaftsanfrage schicken magst, dann mache das, ich werde sie innerhalb ein paar Sekunden annehmen. Freue mich auf eine baldige Antwort, dein Unknown. PS.: Ich bin Unknown, deshalb musst du meinen Namen nicht kennen“, las sie leicht verwirrt, es bahnte sich allerdings bereits ein Lächeln auf ihr Gesicht. Wer war dieser Typ? Nach seiner Wortwahl und den vielen Smileys stellte Amelie sich einen Streber mit riesiger Harry-Potter-Brille vor, der in einem karierten Hemd, den Bildschirm anstarrte. Nun grinste sie wirklich. Seltsamerweise erfreute es sie, dass sich endlich mal jemand Nettes bei ihr meldete, die Möglichkeit, dass jemand sie verarschen wollte, ignorierte sie erstmal, denn jetzt wäre es ohnehin schon zu spät. Vielleicht hatte Lucy sich diesen Account angelegt, um mich reinzulegen, dann sollte sie doch, zumindest wollte Amelie sich davon nicht beirren lassen.
„Hallo Unknown, ja, deinen Namen muss ich nicht kennen. Bevor ich dir eine Freundschaftsanfrage senden werde, muss ich allerdings mehr über dich wissen, aber du suchst Freunde, oder? Dann könnte ich dir zur Verfügung stehen, wenn du mir zurück schreibst“, antwortete sie nach einiger Zeit und überlegte, im tatsächlich gleich eine Freundschaftsanfrage zu schicken. Der Typ war lustig, auch wenn er etwas uncool redete. Doch so cool war sie selbst laut allen anderen wohl auch nicht und der Wortlaut ihrer Nachricht war nicht wirklich anders als dem in seiner. Nun widmete sie sich seinem Profil. Als Profilbild hatte er das Bild eines blassen Jungen gewählt, der wirre, schwarze Haare hatte. Amelie erinnerte sich, die Person schon einmal in einem Vampirfilm gesehen zu haben, also sah „Unknown“
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