Schwingen des Vergessens
nichts dafür. Das war so unfair, jetzt würde sie wegen einer Fremdsprache scheitern.
„Ich… Ich weiß es nicht“, brachte sie leise hervor und hob den Kopf, Tränen sammelten sich in ihren riesigen Augen. Am liebsten hätte sie sofort ihre Hände ausgestreckt, damit sich die Wachen nicht einmal die Mühe machen musste, sie zu überwältigen. Sie würden sie fesseln, zu Lanicel bringen und dann einfach töten. Und dann würde sie Damian nie wieder sehen. Außer dem steten Pochen ihres Herzes hörte sie nicht mehr, nicht die Worte, die die Männer wechselten und nicht das leise Aufseufzen von Damian im Hintergrund.
„Okay, du darfst weiter fliegen. Und mach dir das nächste Mal nicht solche Sorgen, außer du hast etwas verbrochen…“, zwinkerte der Anführer der Gruppe nun und ließ Amelie durch. Wie betäubt flog sie an ihnen vorbei und starr geradeaus. Damian würde das meistern, das war klar, doch was hatte sie da gerade getan? Nach ein paar Flügelschlägen drehte sie sich um, Damian war bereits fertig. Mit einem erleichterten Lächeln im Gesicht kam er auf Amelie zu und nahm wie selbstverständlich ihre Hand.
„Glück gehabt. Das hast du gut gemacht.“ Er grinste noch breiter und flatterte nun weiter.
„Was hab ich bitteschön gut gemacht? Ich bin beinahe in Tränen ausgebrochen.“
„Du hast es richtig gemacht, das ist das, was zählt. Vielleicht hätte ich es dir sagen sollen, aber ich dachte nicht, dass sie das überprüfen.“
„Dann sag es mir jetzt, irgendwann werde ich es wieder brauchen…“ Einerseits war Amelie sehr böse, dass er sie einfach im Dunkeln gelassen hatte, doch andererseits hätte es ihr wahrscheinlich eh nicht weiter geholfen.
„Es gibt genauso wie auf der Erde verschiedene Stellungen und Klassen. Dieses Kastensystem ist natürlich schrecklich, eigentlich sogar unerlaubt. Also in deiner Heimat zumindest, trotzdem ist es hier normal. Ein paar Leute sind eben reicher, andere nicht. Es gibt für beide eine eigene Sprache, die Reichen kennen die der Armen, umgekehrt ist es jedoch nicht so. Sie haben mit dir in der Reichensprache geredet, hättest du diese gekonnt, hätten sie herausgefunden, dass es keine Caro gibt. Die Armen haben nämlich einfache Namen, die anderen wiederum haben meist ausgefallene, besondere und sehr lange.“
„Ich verstehe. Können wir jetzt irgendwo eine Pause machen? Ich muss unbedingt mal tief durchatmen.“ Damian warf einen besorgten Blick über seine Schulter und steuerte auf den Boden zu, unter ihnen lag bereits der Teil von Icasan mit den hübschen Erdenhäuschen. Leise stiegen sie hinter einer weißen Fassade zu Boden und ließen sich auf den Boden sinken. Gras gab es hier keines, trotzdem war der Boden nicht so ungemütlich, wie man glauben würde. Als der Junge nicht hinsah, löste Amelie die Zettel, die sie immer noch bei sich hatte, aus den Falten ihres Kleides und begann, zu schreiben.
4.3 ~*~ Fantasie
Liebes Tagebuch,
es würde sich jetzt wohl gar nicht lohnen, alles aufzuschreiben, was mittlerweile geschehen ist, aber ich fasse es trotzdem mal zusammen.
Ich bin geflüchtet von Icasan, mit Damian, er hat mir überraschenderweise geholfen. Zwar finde ich es etwas seltsam, dass er sich auf einmal auf meine Seite gestellt hat, aber da kann man nichts machen und ich sollte mehr als nur froh darüber sein. Schon klar… Nun sind wir auf der Flucht, es ist schwer, aber langsam lerne ich mehr über die Dämonen und vor allem über die Vergangenheit von Engeln, Dämonen und Menschen. Ich denke, wenn ich irgendwann wieder zurück auf die Erde komme, werde ich mein Wissen nutzen. Das klingt jetzt wahrscheinlich mehr als nur bescheuert (was es im Grunde genommen auch ist, aber jeder braucht seine Träume. Meine sind, dass ich meine Eltern wieder umarmen kann und dass dieses Abenteuer zumindest unvergesslich wird. Ich möchte niemals vergessen, was hier passiert, auch wenn es noch so schlimm wird. Vielleicht wache ich dann auf einmal in meinem Bett auf und merke, dass das alles nur ein Traum war, aber dann war es ein schöner. Auch, wenn noch so viele schreckliche Dinge passiert sind, ich liebe dieses Land. Icasan. Früher auf der Erde habe ich mir immer gewünscht, dass alles dunkel und magisch ist. Hier trifft das alles zu. Der Himmel leuchtet schwarz, ja, er leuchtet wirklich. Sogar Sterne schweben dort oben, es ist einfach unbeschreiblich schön. Das einzige, was ich vermisse, sind meine Eltern, die nicht bei mir sein können.
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