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Schwur der Sünderin

Schwur der Sünderin

Titel: Schwur der Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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Willi.«
    Erfreut sah Anna Maria, wie die Augen ihres Oheims glänzten. »Sag Ruth, dass ich sie bald besuchen werde«, versprach sie.
    Zufrieden blickte sie Veit an, der dem Gespräch nicht zugehört zu haben schien. Dass Anna Maria sich ihm zuwandte, nahm er ebenfalls nicht wahr, denn schon seit einer Weile war seine Aufmerksamkeit auf zwei junge Burschen gelenkt. Die beiden, die Veit nicht älter als vierzehn Jahre schätzte, hatten schräg gegenüber von ihm Platz genommen und keinen Ton gesagt, sondern ihn nur angegrinst. Selbst als Veit ihren Blick grienend erwiderte, gaben sie keinen Laut von sich, nur dieses Grinsen blieb.
    Nach einer Weile fragte Veit ungehalten: »Was ist?«
    Darauf schienen die Burschen gewartet zu haben. Sogleich schoben sie ihre Teller zur Seite und rutschten näher an die Tischplatte heran.
    »Dann stellt schon eure Frage«, forderte Veit sie auf.
    Einer der Burschen räusperte sich und kratzte sich nervös am Hals, während der andere stotterte: »Hast du schon viele Menschen getötet?«
    Veit hatte mit dieser Frage gerechnet. Er wusste um die Wirkung seiner Landsknechtstracht, und auch, was die Menschen damit verbanden. »Ja, ich habe schon hunderte Leben ausgelöscht«, sagte er mit einem besonderen Ton in der Stimme.

    Erschrocken schauten die beiden ihn an.
    »Es entsetzt euch wohl, dass es so viele gewesen sind!«, sagte Veit ernst.
    Der Junge, der sich ständig kratzte, schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht! Du bist schon alt, also musst du als Landsknecht viele Menschen getötet haben. Aber so, wie du es sagst, klingt es, als ob es dir leidtäte«, erwiderte er und scheuerte sich erneut.
    »Dass ich alt bin, hat bislang niemand gesagt«, lachte Veit und blickte Anna Maria an, die ihm schmunzelnd über den Arm strich.
    Der Bursche, dessen Hals voller roter Striemen war, erklärte stolz: »Schon bald werde ich mich mit meinem Freund einem Landsknechttross anschließen und von hier fortgehen.« Mit leuchtenden Augen blickte er zu seinem Tischnachbarn und sagte: »Nicht wahr, Otto, uns hält nichts mehr hier in Mehlbach! Wir beide ziehen in den Kampf für die Bauern und schlagen die Feinde tot.«
    Der Stotterer nickte und sagte: »Ich werde sie totschlagen wie die Schweine.«
    Entsetzt blickte Anna Maria von einem zum anderen und fragte: »Habt ihr schon einmal gekämpft oder einen Menschen sterben gesehen?«
    Beide schüttelten den Kopf. »Nein! Das macht auch nichts. Man gewöhnt sich daran!«
    Ungläubig riss Anna Maria ihre Augen auf. »Ihr wisst nicht, wovon ihr redet!«, flüsterte sie und starrte ins Leere. Die Erinnerungen an das Schlachtfeld bei Frankenhausen kamen zurück und ließen sie erschaudern.
    »Ich fürchte den Tod nicht!«, sagte der Junge voller Inbrunst. »Doch bevor ich sterbe, werde ich genügend Feinde mit in den Tod nehmen. Nicht wahr, Otto, du doch auch?«
    Der Angesprochene nickte eifrig.

    »Wer ist euer Feind?«, wollte Veit wissen. Die beiden Burschen blickten sich an und zuckten mit den Schultern. »Das ist egal! Wenn wir uns den Landsknechten angeschlossen haben, werden sie uns das schon verraten.«
    Nun wandte sich Anna Maria den beiden zu und sagte: »Ihr seid so dumm und wisst nichts von der Welt da draußen. Ich jedoch habe Menschen gesehen, die von Kanonenkugeln zerfetzt oder von Lanzen aufgespießt wurden!« Tränen schimmerten in ihren Augen. »Ich habe die Sterbenden gehört«, flüsterte sie, »und werde niemals wieder ihre Angst- und Schmerzensschreie vergessen oder das ohrenbetäubende Knallen der Geschütze und Gewehre. Und auch nicht den dumpfen Klang der Trommeln des Feindes.«
    Anna Maria wischte sich energisch mit dem Handrücken über die Augen. »Einer dieser schreienden Menschen war mein Bruder Matthias, dem ein Landsknecht mit dem Schwert den Bauch aufgeschlitzt hat, sodass seine Eingeweide herausquollen.«
    Als Anna Maria die teilnahmslosen Gesichter der beiden Burschen sah, blitzten ihre Augen wütend auf. Sie stand abrupt auf, drehte sich um und rannte über den Hof. Weinend lief sie zum Tor hinaus. Sie antwortete nicht auf Veits Rufe und sah nicht Jakobs und Sarahs verständnislose Blicke. Auch hörte sie nicht das Getuschel der Gäste an den Tischen. Sie wollte weg und allein sein mit ihren Erinnerungen.
     
    Anna Maria rannte, ohne zu überlegen, hinter dem Hof den Hügel hinauf dem Wäldchen entgegen. Sie lief tief in den Wald hinein, bis sie zu dem Platz kam, der ihr schon in früheren Zeiten Schutz geboten hatte. Der

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