Schwur der Sünderin
wenigstens einer der Kamine qualmen, überlegte er und stieg vom Pferd. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch die Knie. Hauser blieb einige Augenblicke krumm gebeugt stehen, bis die Qual nachgelassen hatte. Dann schüttelte er die Beine aus.
»Wir beide werden langsam zu alt für solch einen langen Ritt, Brunhilde«, flüsterte er, während er den Sattelgurt seines Pferdes lockerte. Hauser band den Zügel an einem Busch fest und ging über den Burghof. Neugierig besah er sich die Reste der Burgmauer und des Turms. Anschließend ging er in das Gebäude am anderen Ende des Hofes. Er stieg die Steintreppe hinauf und öffnete mit Schwung das große Holzportal. Das muss der Speisesaal sein, von dem Anna Maria erzählt hat. Doch hier hat schon lange niemand mehr gegessen, dachte er und ging zu dem fast mannshohen Kamin, der mit von Ruß geschwärzten Eichenbalken eingefasst war. Er berührte die Kaminsteine. »Kalt«, murmelte er.
Jacob Hauser blickte sich um und legte seine Hände wie einen Trichter vor den Mund. Mit tiefer Stimme rief er: »Ist hier jemand?« Doch außer den Krähen, die er mit seinem Ruf aufscheuchte und die laut schreiend fortflogen, antwortete niemand.
Obwohl er keine Hoffnung hatte, auf der Burg Menschen anzutreffen, durchsuchte er jeden Raum. Überall bot sich ihm das gleiche Bild – nichts deutete darauf hin, dass hier Menschen wohnten.
»Es wäre zu einfach gewesen, wenn Veits Bruder hier leben würde«, dachte er mutlos und ging zurück zu seiner Stute. Er zurrte den Sattelgurt fest und setzte auf. »Komm, Brunhilde, wir reiten nach Landstuhl und genehmigen uns etwas zu essen, bevor es wieder zurück nach Mehlbach geht.«
Nachdem Hauser sein Pferd im Stall beim Wirtshaus abgegeben hatte und es versorgt wusste, ging er in die Schankstube. Er bestellte sich einen Krug warmes Bier und gönnte sich Schweinebraten mit Wurzelgemüse. Zwar hatte er in Mehlbach Brot und Käse eingepackt, aber bei dieser Kälte brauchte er etwas Warmes im Bauch.
Hauser blickte sich um und stellte fest, dass er der einzige Gast war. Als der Wirt ihm das Essen brachte, bemerkte er: »Nicht viel los bei diesem Wetter.«
Der Wirt rieb mit einem Tuch über den Tisch und sagte: »Das kannst du laut sagen.«
»Setz dich zu mir, denn allein schmeckt es mir nicht. Ich gebe dir auch ein Bier aus«, versprach Hauser und grinste.
»Das lasse ich mir nicht zweimal sagen«, antwortete der Wirt und schenkte sich ein. Dann nahm er an Hausers Tisch Platz.
»Schmeckt dir, was meine Frau gekocht hat?«, fragte der Wirt freundlich.
Hauser nickte. »Das Richtige bei diesem Sauwetter«, schmatzte er und prostete dem Wirt zu.
»Was hat dich nach Landstuhl getrieben?«, fragte der Gastwirt neugierig.
Hauser kaute und schluckte und sagte dann: »Ich habe gehört, dass auf eurer Burg Johann mit seinen Mannen leben soll.«
Der Wirt zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. »Woher willst du das wissen?«, fragte er und musterte den Gast. »Du bist nicht aus dieser Gegend. Das kann ich an deiner Sprache hören.«
»Ich bin im Schwarzwald geboren und wohne zurzeit bei der Familie Hofmeister in Mehlbach. Dort lebt auch Johanns Bruder.«
»Du meinst Veit?«
Hauser nickte. »Ja, den meine ich.«
»Merkwürdig«, überlegte der Wirt. Als er Hausers fragenden Blick sah, erklärte er: »Ich weiß nicht, was ich von Veit
halten soll. Vor Jahren verschwand er plötzlich, und es hieß, er wäre tot. Unverhofft tauchte er nach einigen Jahren wohlbehalten wieder auf, und man munkelte, er wäre mit verschiedenen Söldnerheeren in der Fremde gewesen. Veit lebte einige Monate oben auf Nanstein mit Johann, den Männern und deren Familien, bis er eines Tages erneut verschwand. Niemand wusste, wohin er gegangen war, und es hieß, dass Johann ihn suchen würde. Doch dann kam das Gerücht auf, dass er im Bauernkrieg kämpfen würde. Jetzt erzählst du, dass er hier in der Nähe lebt. Ich kann das nicht glauben. Was macht Veit in Mehlbach? In einem Dorf, wo nichts ist, was einen Söldner locken könnte?«
Hauser schmunzelte. »Da irrst du dich! Die Liebe hat Veit nach Mehlbach geführt. Und nun will er sesshaft und Bauer werden.«
Der Wirt blickte Hauser überrascht an. Dann konnte er sich nicht mehr halten und lachte, bis ihm die Tränen kamen. »Wenn ich das seinem Bruder Johann erzähle! Ein Landsknecht will Bauer werden!«, gluckste er und schlug sich mit der Hand auf den dicken Oberschenkel.
Hauser wurde hellhörig. »Weißt du, wo Johann
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