Schwur der Sünderin
Sünden vergeben werden.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass es nicht vonnöten ist, dass du pilgerst …« Jakob stockte, als er den bösen Blick des Vaters wahrnahm.
Daniel Hofmeister schien im Gesicht seines Sohnes Furcht erkennen zu können, denn nun wurde seine Stimme aufbrausend. »Glaubst du, dass ich auf deine Ängste Rücksicht nehme? Selbst deine Mutter konnte mich nicht aufhalten. Du bist ein Hofmeister-Spross und hast dich deinen Aufgaben und dem Schicksal zu stellen. Nimm dir ein Beispiel an deinen jüngeren Geschwistern! Sie sind ohne Furcht in die Fremde gezogen, und du jammerst, bevor ich fort bin. Herrgott, Jakob, überlass das Klagen den Weibern!«, schimpfte er. »Ich werde in den nächsten Tagen aufbrechen und erwarte, dass ich mich auf dich verlassen kann und du den Hof nicht herunterwirtschaftest.«
Der Vater erhob sich mit zornigem Blick und wollte die Werkstatt verlassen, als Jakob fragte: »Hat dein Fortgehen mit dem Fremden zu tun, der dich besucht hat?«
Mit einer ruckartigen Bewegung wandte sich der alte Hofmeister seinem Sohn zu. Er kniff die Augen zusammen und
zischte: »Befolge meine Anordnung! Alles andere geht dich nichts an!«
Mit diesen Worten verließ Daniel Hofmeister die Werkstatt und verschwand einige Tage später mitten in der Nacht.
Jakob streckte sich auf der Wiese aus und schloss die Augen. Ich bin der Herr auf dem Hofmeister-Hof, dachte er trotzig. Trotzdem kam es vor, dass er sich gelegentlich wie ein kleiner Junge fühlte, manchmal am liebsten fortrennen und seinen Tränen freien Lauf lassen wollte. Doch er war ein Mann, ein Vater, ein Bauer und zudem ein Hofmeister! Und das durfte er nie vergessen.
Als ein Schatten auf Jakobs Gesicht fiel, glaubte er, dass eine Wolke sich vor die Sonne geschoben hätte. Er öffnete die Augen und erkannte seine Schwester, die neben ihm stand. Hastig setzte er sich auf und wischte sich dabei über das Gesicht.
Anna Maria ließ sich zu ihrem Bruder ins Gras nieder und musterte ihn. »Geht es dir nicht gut?«, fragte sie besorgt.
»Seit den frühen Stunden plagen mich Kopfschmerzen«, sagte Jakob und wedelte eine Fliege weg, die um seinen Kopf kreiste. Anna Maria rutschte näher an ihn heran und setzte sich in den Schneidersitz. Jakob ahnte, was seine Schwester vorhatte. Lächelnd legte er sich zurück und bettete seinen Kopf in ihren Schoss.
»Entspanne dich!«, sagte sie mit sanfter Stimme und massierte mit kreisenden Bewegungen seine Schläfen. Als sie ihm über die Stirn strich und ihren Atem darüberblies, schmunzelte er.
»Das hat Mutter immer getan, wenn mich der Schmerz plagte.«
»Ich weiß«, sagte Anna Maria. »Ich habe sie dabei beobachtet und war eifersüchtig gewesen.«
»Du kannst froh sein, dass du keine Kopfschmerzen hast«, lachte ihr Bruder und schaute kurz auf.
Anna Maria nickte. »Trotzdem war dieser Augenblick zwischen Mutter und dir etwas Besonderes. Es lag so viel Liebe in dieser Geste. Sie wollte immer nur das Beste für uns«, flüsterte Anna Maria und rieb mit ihren Fingerspitzen über die Kopfhaut ihres Bruders, der tief ein- und ausatmete.
Nach einer Weile fragte sie: »Geht es besser?«
Jakob nickte und setzte sich auf.
»Ich wäre froh, Mutter würde noch leben und mir sagen, was ich tun muss«, gab Jakob zu und sah seine Schwester mit müdem Blick an.
Anna Maria streckte ihre Beine aus und stützte ihre Hände seitlich auf die Wiese. Nachdenklich schaute sie zum Himmel und dann zu ihrem Bruder.
»Ich vermisse Mutter ebenfalls, jeden Tag und besonders jetzt, da ich heiraten werde. Ich wünschte, ich könnte mit ihr über alles sprechen. Ihr meine Ängste anvertrauen und mir ihren Rat anhören. Leider müssen wir sehen, dass wir uns allein zurechtfinden, und hoffen, dass unsere Entscheidungen richtig sind.«
Jakob legte den Kopf leicht schief und betrachtete seine Schwester. »Das ist weise gesprochen, Anna Maria. Es ändert aber nichts an den schwerwiegenden Entscheidungen, die ich treffen muss. Oder sagst du mir, was ich Peter antworten soll?«
Anna Maria setzte sich auf. »Du tust, als ob es etwas Außergewöhnliches wäre, was er vorhat. Doch so etwas hat es schon immer gegeben, und das wird es auch in Zukunft geben.«
»Ich weiß nicht«, sinnierte Jakob laut, »es fühlt sich nicht richtig an.«
Anna Maria lachte leise. »Du musst es nicht tun, nur deine Zustimmung geben.«
Auf Jakobs Stirn zeigte sich eine steile Falte. »Bist du der Meinung, dass Peter sich umstimmen
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