Schwur der Sünderin
Bruder?«
Peter sprang auf und ballte die Hände. »Wiederhole diese Unverschämtheit, und ich breche dir die Nase!«
Der Bader, der Peters Vater hätte sein können, drohte ebenfalls mit seinen Fäusten, sodass seine grauen Locken auf und ab wippten. »Komm mir zu nahe, und ich schlage dein Gesicht zu Brei«, brüllte er und ließ Peter nicht aus den Augen.
In dem Augenblick betrat Jacob Hauser die Küche. »Was ist hier los?«, rief er und schwang sofort seine Fäuste, da er Schlimmes vermutete. Als er Gabriel und Peter erkannte, ließ er die geballten Hände sinken und blickte den jungen Hofmeister fassungslos an. »Peter! Du hier?«, fragte er und umarmte ihn freudig.
Peter erwiderte die Umarmung und gab erstaunt zu: »Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier anzutreffen. Du sagtest uns damals, dass du deinen Sohn zurückholen wolltest.«
Hauser nickte. »Das habe ich getan. Florian ist oben und wird sicher gleich herunterkommen.« Lachend fügte er hinzu: »Als aus der Küche aufgeregte Stimmen nach draußen drangen, dachte ich, dass Gabriel einen Einbrecher überwältigen würde. Dass du es sein könntest, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen.« Dann bestürmte der Freund den jungen Hofmeister: »Wie geht es dir?«
Bevor Peter antworten konnte, mischte sich der Bader ein. »Stell dir vor, Jacob – er will Annabelle heiraten!«
Hauser sagte nichts, sondern strich sich über seine grauen Bartstoppeln und schien zu überlegen.
»Hast du keine Meinung?«, fragte Gabriel ihn ungehalten.
»Ich könnte einiges dazu sagen, aber du bist ihr Vater!«
»Sag, was du darüber denkst«, zischte sein Freund.
Statt darauf zu antworten, fragte Hauser: »Wie lautet Annabelles Antwort?«
»Sie will nicht und hat mich wegen meines Antrags beschimpft!« , erklärte Peter nüchtern.
»Ich nehme an, dass du ihr sachlich deine Gründe dargelegt hast.«
Peter nickte, und Hauser schmunzelte. »Vielleicht hättest du zuerst mit mir reden sollen. Ich hätte dir einige nützliche Ratschläge erteilen können, wie man mit einer schwangeren Frau umzugehen hat.«
»Deine weisen Belehrungen kommen zu spät. Außerdem wusste ich nicht, dass du immer noch in Mühlhausen weilst.« Niedergeschlagen fuhr sich Peter durchs Haar. »Ich habe die Gelegenheit nicht genutzt, sondern verpatzt.«
»Wer sagt dir, dass ich dir meine Tochter als Eheweib geben würde, selbst wenn sie es wollte?«, keifte der Bader.
»Du wärst dumm, wenn du es nicht tun würdest«, meldete sich Hauser zu Wort. Ohne eine weitere Erklärung nahm er sich einen Becher verdünntes Bier und Peters angebissenes Brot. Dann setzte er sich an den Tisch und frühstückte.
»Wie meinst du das?«, fragte Gabriel und goss sich ebenfalls einen Becher voll. Nach kurzem Zögern schob er auch Peter einen Becher Bier über den Tisch.
Hauser überging die Frage seines Freundes aus alten Tagen und fragte Peter: »Wie geht es deinem Vater? Erzähl mir, was der alte Joß Fritz so treibt.«
Peter zuckte mit den Schultern. »Das kann ich dir nicht beantworten, denn mein Vater ist vor meiner Rückkehr auf Wallfahrt gegangen.«
Hauser stutzte, dann meinte er: »Das sieht Joß ähnlich. Selbst auf seine alten Tage ist er noch ruhelos.«
»Wir denken, dass er losmarschierte, weil er hoffte, dass der liebe Herrgott dann über uns wachen wird.«
Hauser nickte, während Gabriel Peter grimmig ansah. Als die Türschelle läutete, erhob sich der Bader.
»Ich muss jetzt zu einem Aderlass. Danach werden wir beide uns nochmal über deine Absicht unterhalten«, grollte er in Peters Richtung und verließ die Küche.
Kaum war Gabriel hinausgegangen, fragte Hauser: »Wie war eure Reise nach Mehlbach? Konntest du deinen Plan umsetzen?«
Peter nickte. »Wir haben Matthias’ Leiche noch in derselben Nacht, in der wir in Mehlbach ankamen, beerdigt. Ein Priesterbruder aus einem Kloster in der Nachbarschaft von Mehlbach gab meinem Bruder den kirchlichen Segen.«
»Ich muss gestehen, dass ich dich bewundert habe, wie du Matthias’ Leichnam durchs halbe Reich gefahren hast, um seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Dem gebührt mein voller Respekt.«
»Hättest du das für deinen Bruder nicht getan?«, fragte Peter erstaunt.
»Ich muss ehrlich gestehen, dass ich diese Frage nicht beantworten kann. Davon abgesehen, dass es ungewöhnlich war, den Leichnam in Salz zu lagern, war es zudem sehr gefährlich. Was wäre wohl geschehen, wenn Landsknechte den toten Matthias gefunden hätten?
Weitere Kostenlose Bücher