Schwur der Sünderin
Wir hatten großes Glück, dass niemand uns kontrollierte. Schließlich waren marodierende Söldner, flüchtende Bauern und sonstiges Pack unterwegs gewesen.« Hauser schwieg für wenige Augenblicke und flüsterte: »Es ist Vergangenheit, über die wir uns nicht mehr den Kopf zerbrechen müssen.« Mit seiner Pranke rieb er sich über die Stirn, als ob er die Gedanken wegwischen wollte. »Erkläre mir lieber, warum du plötzlich hier auftauchst und Annabelle heiraten möchtest«, sagte er freundlich und wollte außerdem wissen: »Hegst du Gefühle für sie?«
»Muss man verliebt sein, um zu heiraten?«, fragte Peter und errötete leicht.
»Zumindest ist es nicht hinderlich«, antwortete Hauser und zwinkerte ihm zu.
Sichtlich aufgewühlt erklärte Peter: »Annabelle bekommt das Kind meines toten Bruders. Da ist es wohl selbstverständlich, dass ich sie heiraten werde. Schließlich ist es ein Hofmeister-Kind, und das gehört in unsere Familie.«
»Du redest, als ob es sich bei dem Kind um eine Ware handeln würde«, rügte Hauser.
»Überleg selbst, Jacob!«, verteidigte sich Peter. »Wer würde eine Frau mit einem unehelichen Kind heiraten wollen? Ehrlose und Banditen, die das Kind stets als einen Bastard ansehen werden. Es wird für ein Stückchen Brot schuften müssen und keine Rechte haben. Und Annabelle? Ihre Schönheit wäre bald dahin, wenn sie in Spelunken oder Gerbereien für ihr tägliches Brot arbeiten müsste. Glaube mir, nur auf dem Hofmeister-Hof würde es ihr und dem Kind gutgehen.«
»Das mag wohl so sein«, stimmte Hauser ihm zu, doch dann fügte er hinzu: »Du vergisst bei deinen Überlegungen, dass Annabelle aus gutem Haus kommt. Sie könnte bei ihrem Vater bleiben, und wie Gabriel bereits sagte, ist er zumindest im Augenblick keineswegs willig, dir Annabelle zur Frau zu geben.«
Als Peter schwieg, musste Hauser grinsen.
»Daran hast du wohl nicht gedacht?«
Peter schüttelte den Kopf und blickte zerknirscht auf.
»Steckt da nicht doch mehr dahinter?«, fragte Hauser.
Bei dieser Frage malte Peter mit seinen Fingern unsichtbare Muster auf die Tischplatte. »Ich weiß es selbst nicht«, sagte er kleinlaut und räusperte sich mehrmals. Dann sprudelten die Worte aus ihm heraus: »Ich gebe zu, dass Annabelle mir vom ersten Augenblick an gefallen hat. Als ich jedoch sah, dass Matthias und sie sich zueinander hingezogen fühlten, unterdrückte ich meine Gefühle. Zumal ich wusste, dass zuhause ein Mädchen auf mich wartete, von dem ich annahm, dass es zu mir passen würde. Als ich in Mehlbach Susanna wieder sah, erkannte ich, dass ich mich geirrt hatte. Immer öfter dachte ich an Annabelle und auch an Matthias’ Kind. In meinem Kopf schwirrten die Gedanken hin und her, und ich wusste mir keinen Rat. Deshalb sprach ich mit meiner Schwester und nahm an, dass sie meine Absichten verurteilen würde. Aber Anna Maria tat nichts dergleichen, sondern bestärkte mich, meinem Herzen zu folgen. Und deshalb bin ich hier.«
Hauser nahm nachdenklich einen Schluck Bier, als Friedrich in die Küche stapfte. Ohne sich umzublicken, stellte er sich mit dem Rücken zum Herd, gähnte herzhaft und rubbelte sich mit den Fingern durchs Haar. Dann rieb er sich die Augen und schaute Hauser dabei ins Gesicht. Als er ihn erkannte, begrüßte er überschwänglich den väterlichen Freund, mit dem sie erst vor wenigen Monaten in Frankenhausen gegen die Armee der Fürsten gekämpft hatten.
»Wie freut es mich, dass wir uns hier wiedersehen«, rief Friedrich, wobei seine Augen glänzten. Im gleichen Atemzug fragte er: »Ist Florian auch hier?« Als Hauser nickte, meinte Friedrich ernst: »Ich wäre böse geworden, wenn du deinen Sohn bei der Schwester deiner verstorbenen Frau gelassen hättest. Wie hat uns der Junge leidgetan, als du ihn zu der Alten hingeschoben hast.« Vorwurfsvoll fügte er hinzu: »Die Frau ist finster und griesgrämig, und dann dieses furchtbare Haus!« Bei dem Gedanken schüttelte es ihn.
»Halts Maul!«, blaffte Hauser ihn an. »Ich hatte damals keine andere Wahl, denn schließlich konnte ich den Jungen nicht mit in den Kampf nehmen. Jetzt ist er hier, und es geht ihm gut.«
»Wolltest du nicht zurück in deine Heimat gehen?«, fragte Friedrich und biss in ein Stück Brot, das er zuvor mit Butter und Honig bestrichen hatte.
»Was soll ich in Stühlingen? Dort zieht mich nichts hin, denn meine Lizzi ist tot. Zudem ist das Überleben im Schwarzwald schwerer als hier. Als Gabriel mir eine Stelle in
Weitere Kostenlose Bücher