Schwur der Sünderin
Gabriel schien uns nicht zu erkennen, und da sagte Peter, dass er es wäre, der Sohn des Joß Fritz. Dabei ist er Hofmeisters Sohn.«
Peter traute sich weder, Hauser anzuschauen, noch, etwas zu sagen.
»Warum klärst du ihn nicht auf?«, fragte Hauser ruhig.
Peters Gesichtszüge wirkten verkrampft, als er murmelte: »Nicht einmal mein Bruder Jakob weiß davon.«
Hauser stutzte. »Warum nicht?«
Peter schaute Hauser in die Augen und erklärte niedergedrückt: »Als wir zurück in Mehlbach waren, gab es genug Scherereien mit unserem ältesten Bruder, weil wir Matthias’ Leichnam durchs Reich gefahren hatten, um ihn daheim zu beerdigen. Nachdem Jakob sich beruhigte, gab es keine Gelegenheit, ihm von dem Doppelleben unseres Vaters zu berichten.«
»Das kann ich nachvollziehen. Aber bei Friedrich hast du den Stein ins Rollen gebracht«, sagte Hauser streng.
Peter wies mit dem Kinn zu Friedrich und sagte trotzig: »Ihn gehen unsere Familiengeschichten nichts an.«
Hauser schüttelte verständnislos den Kopf. »Er ist dein Freund, Peter, mit dem du Seite an Seite gekämpft hast. Friedrich hat mehrmals bewiesen, dass er treu und verlässlich ist.«
Durch die Rüge verfärbten sich Peters Wangen, und er sagte leise: »Das ist wahr. Friedrich ist mein bester Freund.«
Zufrieden lehnte sich Hauser zurück, und als Peter ihn zweifelnd anblickte, nickte er ihm aufmunternd zu. Peter atmete tief ein und erzählte dem Freund von seinem Vater.
Friedrich lauschte mit offenem Mund und großen Augen, bis Peter geendet hatte, dann fragte er ungläubig: »Das ist dein Vater?«
Peter nickte.
»Du hast davon nichts geahnt, bis Hauser dich aufklärte?«
Peter nickte erneut. Hauser schmunzelte und fragte Friedrich: »Erinnerst du dich daran, als wir in der Waldhütte saßen und uns unsere Geschichten erzählten? Matthias zog sich damals das Hemd hoch, um das Stück Fahne zu zeigen, das sein Vater ihm mitgegeben hatte.«
Eifrig nickte Friedrich.
»Das war der Augenblick, in dem ich das erste Mal grübelte. Ich war einst Fahnenträger bei Joß Fritz gewesen und kannte seine Fahne wie kein anderer. Dieser Fetzen über Matthias’ Brust schien ein Stück der Bundschuh-Fahne zu sein. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt nichts mit dem Namen Daniel Hofmeister anzufangen. Als wir weitermarschierten und in dem Gasthaus einkehrten, in dem die Alte uns die dünne Suppe verkaufen wollte …«
»Die hässliche mit dem kahlrasierten Kopf?«, lachte Friedrich, und Hauser fuhr fort:
»In dieser schäbigen Taverne erkannte ich, dass der Wirt ein Gleichgesinnter war, denn er hatte seine Schwurfinger eingebüßt. Um sicherzugehen, nannte ich ihm unsere Losung, die nur die Bundschuh-Aufständischen kennen.«
»Ich erinnere mich an euren seltsamen Spruch. Zwar wusste ich damals nicht, was er bedeutete, aber das war mir auch einerlei gewesen. Wichtig war nur, dass wir frisches Brot, Speck und Wein bekamen, obwohl sie angeblich nur Suppe hatten.«
Hauser und Peter lachten. »Der Wein war so süffig, dass Matthias und Michael bald einschliefen. Du und Johannes konntet einige Becher mehr vertragen, doch kurz darauf habt auch ihr geschnarcht.«
»Nehmt es mir nicht übel«, sagte Friedrich zweifelnd, »seid ihr wirklich sicher, dass Peters Vater Joß Fritz ist?«
»Das ist so gewiss wie das Amen in der Kirche!«, lachte Hauser. »Joß Fritz hat ein unverkennbares schwarzes Muttermal auf seinem Handrücken, und das hat auch Daniel Hofmeister.«
Friedrich lachte nun laut auf und klopfte seinem Freund anerkennend auf die Schulter. »Wie musst du auf deinen Alten stolz sein. Dein Vater ist ein Held!«, sagte er ehrfurchtsvoll.
Verlegen senkte Peter den Blick, doch Hauser stimmte Friedrich zu: »Ja, Joß Fritz ist wahrhaftig ein Mann der Tat, und ich hoffe, dass ich ihn eines Tages wiedersehen werde.«
»Erzähl mehr aus deiner Vergangenheit, Jacob«, bat Friedrich, und Hauser ließ sich nicht zweimal bitten.
Stolz berichtete er von vergangenen Zeiten, in denen er mit Fritz unterwegs gewesen war. Die Augen der jungen Männer glänzten vor Ehrfurcht, und gespannt lauschten sie Jacobs Erinnerungen. Keiner bemerkte, dass plötzlich der Bader vor ihrem Tisch stand.
Während Peter erschrocken auffuhr, sagte Hauser freundlich: »Schön, dass du es dir anders überlegt hast, Gabriel. Setz dich zu uns.«
Der Bader bestellte mit Handzeichen ein Bier und nahm Platz. »Ihr scheint guter Laune zu sein«, knurrte er und nahm einen tiefen Zug aus
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