Schwur der Sünderin
Kutschbock, umfasste seine Schwester in der Taille und wirbelte sie übermütig im Kreis, während sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte. Als er sie wieder auf den Boden absetzte, flüsterte sie: »Dein Traum ist wahr geworden.«
»Noch nicht«, antwortete er leise an ihr Ohr und verzog zweifelnd sein Gesicht. Anna Maria blickte ihn stirnrunzelnd an, doch Peter erklärte nichts, sondern half Annabelle vom Kutschbock.
Anna Maria begrüßte die junge Frau herzlich, die die Umarmung nur kurz erwiderte. Anna Maria ließ sich nichts anmerken. Freundlich lächelte sie Annabelle zu, von der man kaum etwas erkennen konnte, weil sie in einen dicken Umhang eingemummt war und ihren Kopf in einem Schal versteckte.
Nachdem Anna Maria auch Friedrich begrüßt hatte, bat sie Annabelle zitternd: »Lass uns rasch ins Warme gehen. Ich friere in meinem dünnen Kittel.«
Vertraulich hakte sich Anna Maria bei Annabelle ein und führte sie ins Haus.
In der Küche wies Anna Maria Annabelle einen Platz in der Nähe der Herdstelle zu. »Hier kannst du dich aufwärmen«, sagte sie und half der jungen Frau aus ihrem Umhang. Annabelle hatte bis jetzt kein Wort gesagt.
Ihr Bauch wölbte sich leicht nach vorn, und trotz der Schwangerschaft wirkte sie zerbrechlich. Ihre Wangen waren blass, und
um ihre Augen lagen dunkle Schatten. Sie wird erschöpft sein, dachte Anna Maria, als die Tür aufging und Sarah und Jakob in der Küche erschienen. Sogleich stürmte die Bäuerin auf den Gast zu und rief: »Sei herzlich willkommen.« Sie umarmte Annabelle überschwänglich, während Jakob auf Abstand blieb und sie nur musterte. Sarah schob ihn nach vorn und flüsterte: »Sag auch etwas.«
»Ich grüße dich« war das Einzige, was Jakob hervorbrachte, dann setzte er sich auf den Schemel, als ob er zu Besuch wäre.
Anna Maria erhitzte derweil über dem offenen Feuer einen Kessel mit Wein, den sie mit verschiedenen Gewürzen verfeinerte. Plötzlich streckte Friedrich seinen Kopf herein und fragte: »Wohin soll ich Annabelles Sachen bringen?«
Anna Maria wandte sich ihm zu und bat: »Du kannst die Sachen in meine Stube bringen. Annabelle wird bis zur Hochzeit bei mir nächtigen.« Sie drehte sich zu der stummen Frau um: »Ich hoffe, dass es dir Recht ist. Wenn du mit Peter verheiratet bist, werdet ihr eine eigene Kammer beziehen.«
Bei der Erwähnung der Hochzeit hatte Anna Maria das Gefühl, als ob Annabelles Wangen eine Spur blasser geworden wären. Rasch füllte sie einen Becher mit Würzwein. »Hier, meine Liebe, der wird dir guttun!«, sagte Anna Maria und stellte ihn vor Annabelle auf den Tisch. Friedrich kam hinzu, ebenso Peter, der das Pferd im Stall versorgt hatte. Sie nahmen Platz, und Anna Maria reichte jedem einen Becher Wein.
»Wo ist Veit?«, fragte Peter und nippte an seinem Getränk.
»Er ist zu seinem Bruder gereist, um ihn zur Hochzeit einzuladen«, erklärte Sarah eifrig. »Deine Familie wird hoffentlich auch bei eurer Vermählung dabei sein?«, fragte Sarah Annabelle, die nur nickte.
»Ach, Peter«, seufzte Sarah zufrieden, »du hast dir eine sehr hübsche Frau erwählt.«
Peter dankte mit einem Lächeln, während Annabelle schwieg.
Kapitel 13
Kurz vor Weihnachten 1524 in Lehen/Breisgau
Joß Fritz nahm ein glimmendes Holzstück aus der Feuerstelle in der Küche, zündete sich daran seine Pfeife an und verließ die Hütte. Vor der Tür empfing ihn schneidend kalte Luft, sodass er den Kragen seines Umhangs fester um sich zog. Mit klammen Fingern führte er die langstielige Pfeife zum Mund und inhalierte den Qualm des Krauts. Anschließend blies er ihn in die eisige Luft.
Joß’ Blick wanderte hinüber zu den Wipfeln der Bäume, wo die Sonne wie eine brennende Feuerscheibe über den Baumkronen des Waldes stand. Der glutrote Schein trog, denn die Kraft der Sonne reichte nicht aus, um die Erde zu erwärmen. Obwohl Kälte und Feuchtigkeit in Joß’ Körper krochen, wollte er noch nicht zurück in die Kate. Stattdessen marschierte er hinüber zur Scheune und stellte sich mit dem Rücken gegen die Bretterwand, sodass die Sonnenstrahlen sein Gesicht sanft erwärmten. Joß Fritz schloss einen kurzen Augenblick lang die Augen und sog dabei an seiner Pfeife. Nachdenklich schaute er in die Ferne und versuchte, mit dem Qualm Kringel in der Luft zu formen.
Seit er sich entschlossen hatte, sein Leben als Daniel Hofmeister vorübergehend zu unterbrechen und es einmal wieder als Joß Fritz fortzuführen, beschäftigten ihn
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