Schwur der Sünderin
Geschirr vom Tisch gefegt, sie gepackt und zu sich gezogen. Dann war er hinter sie getreten und hatte sie so hart genommen, dass ihre Hüftknochen noch tagelang später blau waren.
»Ich bin dein Mann, und du hast mir zu gehorchen, Weib! Einerlei, wie lange ich fort war!«
Else warf ihre langen dunklen Haare zurück und strich sich über den Scheitel. Sie spürte keinen Hunger mehr und schob die noch halb gefüllte Holzschale von sich.
Seit mehr als vierzehn Jahren war sie mit diesem Mann verheiratet. In dieser Zeit hatten sie immer wieder getrennt voneinander gelebt – stets dann, wenn Joß Großes bewirken wollte, es schiefgegangen war und er fliehen musste.
Das Schlagen der Axt war verstummt. Else trat erneut ans Fenster, schob das Tierfell zur Seite, das den Raum vor Kälte schützte, und blickte hinaus – von ihrem Mann war nichts zu sehen. Sie ließ das Fell los, goss sich einen Becher sauren Wein ein und nahm einen kräftigen Schluck.
Nach dem misslungenen ersten Bundschuh-Aufstand im Jahr 1502 hatte sie Joß kennengelernt. Er war aus Untergrombach geflohen und auf dem Weg in die Schweiz, als sie sich durch Zufall begegneten.
Joß Fritz hatte rasch Zutrauen zu der jungen, hübschen Frau gefasst und ihr verraten, dass er, ein aufständischer Bauernführer, im Land gesucht wurde. Beide hatten gemerkt, dass sie aus ähnlichem Holz geschnitzt waren, und so machte Joß Else einen Heiratsantrag: »Ich habe kein Verlangen, eine Familie zu gründen. Eine Frau an meiner Seite könnte mir allerdings wohl gefallen.«
Else musste nicht lange überlegen. Ihr waren die wollüstigen Blicke der anderen Frauen nicht entgangen, mit denen sie Joß bedachten. Auch sah sie, wie die Frauen ihm hinterhergafften, wenn er hoch zu Ross durch die Straßen ritt. Else gefiel, wie Joß aus dem Sattel glitt, um sich mit den einfachen Männern des Ortes auf Augenhöhe zu unterhalten. Sie wusste, dass ihr Mann gern mit den niederen Leuten kungelte, um sie alle auf seine Seite zu ziehen, die Frauen ebenso wie die Männer. So legte er die Saat für seinen nächsten Aufstand.
Else wurde nicht nur seine Frau, sondern seine Mitkämpferin,
die ihn bei der Planung seines neuen Bundschuh-Aufstandes tatkräftig unterstützte.
Bundschuh, höhnte sie in Gedanken, während sie einen weiteren Schluck des sauren Weins nahm. Warum Joß seine Aufstände ausgerechnet nach dem Schuh des gemeinen Mannes genannt hatte, konnte sie sich bis zum heutigen Tag nicht erklären. Auf ihre Frage hatte er damals erklärt: »Ich kenne die Ungerechtigkeit und weiß von den Nöten, die unter dem einfachen Volk herrschen. Deshalb habe ich als Zeichen den Bundschuh gewählt und nicht den sporenklirrenden Ritterstiefel.«
Einige Zeit nach der Eheschließung hatten sie Elses Heimatort am Bodensee verlassen und waren nach Lehen bei Freiburg im Breisgau gezogen, wo Joß eine Stelle als Bannwart annahm. Während alle Welt dachte, dass er sich um die Weinberge kümmern würde, scharte er im Laufe der nächsten Jahre Gleichgesinnte um sich in der Hoffnung, dass er bald ernten könnte, was er gesät hatte. Doch es kam anders.
Im Jahr 1513 wurde auch dieser Bundschuh-Aufstand verraten, und Joß Fritz musste erneut fliehen. In Lehen und Umgebung kam es zu zahlreichen Verhaftungen und Verurteilungen. Auch Else wurde eingesperrt. Da man ihr nichts nachweisen konnte, wurde sie nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Allerdings musste sie schwören, auf jegliche Wiedergutmachung für die erlittene Haft zu verzichten und die Kosten ihrer Inhaftierung innerhalb von acht Tagen abzubezahlen.
Joß aber war wie vom Erdboden verschluckt. Die ersten Monate hoffte Else, dass ihr Mann irgendwann wieder vor ihr stehen würde. Da aber selbst seine Männer nicht wussten, wo ihr Anführer geblieben war, glaubte sie, dass er tot sei.
»Ich musste nach vorne blicken und zusehen, dass ich in diesen schweren Zeiten überlebe«, murmelte sie trotzig und reckte das Kinn nach vorn.
Else hatte ihr Leben gerade neu geordnet, als sie eines Nachts
unsanft geweckt wurde. Joß stand vor ihrem Bett. Noch ehe sie etwas sagen konnte, hatte er den Mann, der seit geraumer Zeit das Lager mit ihr teilte, an den Haaren gepackt und nach draußen gezogen. »Sollte ich dich noch einmal in der Nähe meiner Frau erwischen, schlage ich dich tot!«, hatte Joß ihm gedroht, woraufhin der Mann eilends das Weite suchte. Danach war Joß zu Else in die Schlafkammer zurückgekehrt und hatte sich auf die noch
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