Schwur der Sünderin
unablässig die gleichen Gedanken. Joß Fritz versuchte die Entwicklungen im Reich seit seinem Abtauchen in das Leben eines freien Bauern zu verstehen und nachzuvollziehen, um daraus eigene Pläne schmieden zu können. Er wusste, dass er in all den Jahren in Mehlbach nichts verlernt hatte und dass er immer noch zu Großem bereit war – auch wenn seine drei Bundschuh-Aufstände etliche Jahre zurücklagen. Joß war sich sicher, dass die Menschen ihm wie früher vertrauen und folgen würden.
Allerdings schienen das einige von Kilians Männern anders zu sehen.
Fünfzehn Männer waren Kilian nach Neustadt gefolgt, von denen fünf bereits unter Joß gekämpft hatten. Diese zauderten nicht lang und schworen ihrem Anführer aus vergangenen Tagen erneut die Treue. Drei Neulinge taten es ihnen nach, nur die restlichen sieben zögerten. Darunter waren auch die drei Burschen, die Joß mit frechen Blicken gemustert hatten.
»Wenn du so ein großer Führer bist, dann frage ich mich, warum deine Aufstände allesamt fehlgeschlagen sind?«, höhnte der eine. An die anderen Männer gewandt sagte er: »Ihr solltet euch einem fähigen und jungen Mann anschließen und nicht einem, der seine besten Jahre hinter sich hat. Kommt mit mir. Ich führe euch in einen Kampf, den wir gewinnen werden.«
Joß Fritz hatte den Störenfried erstaunt angeblickt. Selbst Kilian wusste im ersten Augenblick nichts zu sagen, dann fragte er: »Wie kommst du darauf, dass du die Leute führen könntest? Zu einem Führer muss man geboren sein. Niemand hat mehr Erfahrung als Joß Fritz. Bleibt bei uns, nur dann könnt ihr gewinnen.«
Als Joß in die abweisenden Gesichter der Männer sah, sagte er: »Lass gut sein, Kilian. Wir können solche Dummköpfe nicht gebrauchen. Wer mit ihnen ziehen will, soll es tun.«
Fritz spürte, wie ihn die Erinnerung an diese Auseinandersetzung erneut zornig machte. Erst nachdem er mehrere Male den Rauch des Pfeifenkrauts tief ein- und ausgeatmet hatte, beruhigte sich sein erhitztes Gemüt. Als die Pfeife ausging, klopfte er sie sachte gegen die Scheunenwand und überprüfte, ob nichts mehr glomm. Dann steckte er die Pfeife in seine Hosentasche. Weil seine Hände eiskalt waren, vergrub er sie in den Achselhöhlen.
Obwohl die Störenfriede die Truppe noch am selben Tag verließen, herrschte unter den Übrigen angespannte Stimmung. Schlecht gelaunt saßen sie in Melchior Spindlers Wirtshaus und beredeten laut und durcheinander, wie es weitergehen sollte. Selbst etliche Bier später hatten sie keinen brauchbaren Plan ersonnen.
Schließlich sagte Joß spöttisch: »Dieser Kerl hatte nicht ganz unrecht! Meine besten Jahre liegen hinter mir. Auch läuft mir die Zeit davon, sodass ich nicht wie früher jahrelang planen kann. Ich glaube, es war kein guter Einfall, die alten Zeiten wieder aufleben lassen zu wollen.«
Bei diesen Worten sprang Kilian auf, stützte seine Hände in die Hüften und funkelte Joß böse an.
»Nicht zu glauben, dass diese Taugenichtse dich in Zweifel stürzen. Dich, den großen Joß Fritz? Zeig mir deine Stirn, ob dich Fieber plagt! Anders kann ich mir deine Gemütsschwankungen nicht erklären.«
Joß lachte laut schallend auf. »Wenn es deine Meinung ist, dass wir kämpfen sollen, dann mach einen Plan.«
Kilian hatte nicht lange überlegen müssen. Er schickte sogleich die Männer los, damit sie Gleichgesinnte suchen und für die Sache begeistern sollten.
»Ich«, erklärte er mit wichtiger Stimme, »werde mich bei den Vaganten umhören, ob sie wissen, wo sich Stoffel von Freiburg aufhält.«
»Und was mache ich in der Zwischenzeit? Däumchen drehen?« , fragte Joß Fritz, der belustigt dem geschäftigen Treiben Kilians zusah.
»Du, mein Lieber, reitest nach Lehen und schaust da nach dem Rechten«, befahl Kilian. »Ende Januar werde ich dich dort aufsuchen. Dann sehen wir weiter.«
»Was soll ich in Lehen?«, fragte Joß und spürte, wie er bei der Erwähnung des Ortsnamens innerlich erstarrte.
»Diese Frage muss ich dir nicht beantworten, Joß. Du weißt am besten, wie nützlich sie ist.«
Und so war Joß Fritz am nächsten Morgen nach Lehen geritten.
»Hier steckst du!«, sagte plötzlich eine Stimme neben Joß. Erschrocken fuhr sein Kopf herum.
Else blickte ihren Mann forschend an.
Auch wenn sie sich viele Jahre nicht gesehen hatten, so war ihr alles an ihm vertraut. Jede seiner Gesten und jedes Mienenspiel konnte sie deuten und jeden seiner Gedanken erahnen. Doch sie würde
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