Schwur des Blutes
Tausende Scherben. Er rammte sich die Fäuste gegen die Brust. Es tat so weh!
„Timothy.“
Er durfte ihr sein Blut nicht geben! Gott, er würde sie dadurch verlieren, wie Dad und seine Mutter. Das konnte er ihr nicht antun!
„Timothy! Erinnere dich, was die Fürsten gesagt haben, über die Liebe.“
Timothys Blut tropfte weiterhin von seiner Hand, färbte den staubigen Boden, verband sich zu einer grauen Brühe. „Nein!“, brüllte er, dass die Zellengitter vibrierten.
„Timothy Fontaine! Ich weiß, dass du Angst hast. Habe ich auch! Aber du kannst immer noch für sie da sein wie für Elena-Joyce. Tu’s endlich.“
„Ich kann nicht!“ Timothy sprang auf, ballte hilflos die Fäuste, bis es knackte.
„Bitte, sie stirbt!“
Timothy fühlte sich, als würde er gerade selbst sterben. Blind vor Tränen sah er die düstere Gestalt des Ältesten vor Augen, das weiseste Wesen der Welt, das über den Fürsten stand. Und die Worte, die dieser zu ihm gesprochen hatte, säuselten zart wie ein Lufthauch durch seinen Sinn: „Es gibt für jeden die eine, die wahre, unendliche Liebe.“
Timothy schrie gepeinigt auf, warf sich zu Boden und presste seine offene Vene gegen Sams kühlen, leblosen Mund.
~~
Ich rannte um mein Leben. Ja, ich weiß, das klingt seltsam, aber lass es mich einfach erklären. Ich lief, so schnell es Amys müde Beine mitmachten, durch beinahe verlassene Häuserschluchten. Nephilim hatte eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, obwohl er noch nicht einmal zur Erde herabgeschwebt war. Brennende Fahrzeuge und Gasleitungen verursachten dichten, giftigen Qualm und Amys Atem rasselte ununterbrochen. Es hätte ganz anders ablaufen sollen, nachdem ich mir die beiden Zauberdiamantringe über den rechten Mittelfinger schob. Aber ganz anders!
Amy stolperte, schlitterte mit den Knien über den aschebedeckten Asphalt. Als ich sie mental auf die Füße prügelte, wankte sie noch schlimmer als vor wenigen Stunden auf der ‚Silver Angel‘. Warum in Dreiteufelsnamen wirkten diese bescheuerten Ringe nicht?
Ja, ich hatte ihre Macht für einen Moment verspürt, ein unfassbares Universum und so weiter und so fort, aber das war so rasch verschwunden wie das Meer einen Regentropfen verschluckte. Als hätten die Ringe mich irgendwie abgelehnt. Kein toller Körper für Lilith. Ich ging wieder mal leer aus. Weshalb bloß? Das war … unverschämt! Unerklärlich! Unheimlich gemein! Amy weinte. Nicht ich. Ich weinte nicht. Vor allem niemals nie nicht aus Enttäuschung.
Ich war der festen Überzeugung gewesen, dass ich mich mithilfe beider Ringe in der Lage befand, in jeden Körper zu springen. Wer immer mich verfolgt und gestellt hätte, in den wäre ich gesprungen und hätte ihn meinem Willen untergeordnet. Amy war sowieso am Ende ihrer Kräfte. Ich hätte ihr mit meinem neuen Leib die Ringe abgenommen und wäre auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Nun saß ich in der sprichwörtlichen Scheiße. Jemand verfolgte mich und hier lagen nur vereinzelte Leichen herum. Keine Möglichkeit, mich in Sicherheit zu bringen, ohne die Ringe zu verlieren. Ich blickte mich um, während ich lief, sah aber niemanden durch das Chaos hinter mir streifen. Sie mussten sich erst um Cira und Samantha kümmern. Klar. Freunde waren schon etwas Schönes. Meine Chance, abzuhauen. Die Ahnung blieb, dass mir irgendwer auf den Fersen war. Woher ich diese hatte, konnte ich mir nicht erklären, denn schließlich hatte man mir derweil alles genommen. Keine Himmelsgeheimnisse, keine zusätzliche Zauberkraft, keine mental mächtigen Wesenskörper mehr und die verfluchten, hundsgemeinen Ringe taugten überhaupt nichts!
Endlich sah ich meinen Verfolger durch den Dunst. Es war mein süßer, zeitweiliger Lakai, Ny’lane. Ob er böse auf mich war? Ob er Amy verzeihen … Mir kam eine Idee. Eine rettende, genial gesponnen. Okay, eher eine ätzende. Aber unumgänglich.
Mein Lieber, ich verabschiede mich dann mal von dir. Schließlich bist du der Einzige, der auch mir die Daumen drückt. Nicht wahr? Oder? Gut. Wusst ich’s doch. Das ist lieb. Aber lassen wir das Emotionale, hab’s eilig. Auf bald. Küsschen.
Selbstlos, wie ich nun einmal war, überließ ich Amy ihren Geist, zog mich aus ihren Gedanken, Empfindungen und Handlungen zurück, aus allem, nur nicht aus ihrem Körper. Na ja, also nur fast selbstlos. Ich wusste, dass der Gedankenleser Ny’lane Bavarro den Unterschied erkennen würde, jetzt, wo er Kenntnis davon besaß, dass ich mich in Amy
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