Schwur des Blutes
normaler Siegelring. Ergriffenheit packte ihn wie jedes Mal, wenn er sich zu Gedanken an den Ring hinreißen ließ. Sein Erbe, sein Schicksal … sein Mythos. Wie gern würde er die Diamantfassung nochmals über seinen Finger schieben, die unendliche Macht, unendliches Wissen, unendliche Verbundenheit verspüren. Es war überwältigend gewesen, unvergesslich. Er konnte sich nicht erklären, weshalb er so empfand. Die Sehnsucht nach dem Siegelring, nach den Empfindungen, die er ausgelöst hatte, schienen magisch, wühlten ihn auf – ähnlich wie Ciras Blut. Er hatte sich als Stern am Firmament gesehen, blickte hinab auf einen Fluss voller funkelnder Lichter. Sterne am Himmel wie auf der Erde. Ciras Blut, Diandros Ring und er bildeten die Trinität, eine Dreifaltigkeit. Die Trias, eine göttliche Zahl, aus Vater, Sohn und Heiligem Geist … aus den Heiligen Drei Königen, aus drei Prüfungen … Jonas fauchte ungehalten. Er konnte einfach keine klare Erkenntnis aus dem Wirrwarr ziehen, drehte sich im Kreis.
Die Verbindung zu der Legende war Fakt. Seit dem Geständnis seiner grausamen Vergangenheit und ihrer Vereinigung im Blute versuchten Cira und er, sie zu entschlüsseln.
Der mutige Löwe nehme seinen Stern zum Geschenk, er leitet deinen Weg.
Toll. Falls er den Löwen darstellte, wie sein Sternzeichen, dann musste er nur zwei Probleme lösen, damit er seinen weiteren Weg einschlagen konnte: Seinen unter mysteriösen Umständen ermordeten Dad erwecken und den Siegelring wiederfinden. Beides schien absurd, wenn nicht gar unmöglich. Lex-Vaun Havelland, ein am selben Tag verstorbener Gestaltwandler, hatte Diandro auf dem Gewissen. Seine zierliche Gestaltwandlerfrau Fay hatte es ihm gestanden. Und der Ring war Alexander in seiner Hochzeitsnacht gestohlen worden, kurz nachdem Jonas ihn seinem Bruder überreicht hatte. Niemand wusste, wer Lex-Vauns Mörder sein und wer den Diebstahl begangen haben könnte. Er verdächtigte den brutalen und mächtigen Körperdämon, der sie alle lange in Angst und Schrecken versetzt hatte. Doch seit einer Woche war es zu keinem weiteren Vorfall gekommen. Die Ruhe vor dem Sturm?
„Kann ich dir behilflich sein, Jonas?“
Jonas hob die Lider und stützte sich auf die verschnörkelte Balkonbrüstung. Sein Blick überflog die sanften Hügel seines Grundstückes, das, von hohen Mammutbäumen umsäumt, jegliche neugierige Sicht von außen auf den Park, den See und das Schloss verwehrte. Die Blumenbeete blühten dank des Sonne-Regen-Mixes und Gregs Pflege in den schönsten Farben. Er lächelte die zwei entfernten Gestalten an, obwohl sie es nicht sehen konnten. Vampire ähnelten den Säugetieren. Sie fühlten eine innige Verbindung zueinander und viele vermochten mit Tieren zu kommunizieren. Elvis, Gregs schwarzer Labrador, spürte seine tief sitzende Angst um Cira, seine Aufgewühltheit wegen der Legende und den unheilvollen Vorkommnissen der vergangenen Zeit. Elvis verstand nichts von Mathematik, kümmerte sich nicht um die Geldsorgen seines Herrchens oder sein Ansehen, doch im Mitfühlen überwog beinahe niemand die Gefühle eines Tieres.
„Danke, Elvis. Ich denke nicht“ , antwortete er auf telephatischem Wege, „ aber lieb, dass du fragst. Geht es euch gut?“
Jonas vernahm ein ausgiebiges Lecken einer langen Hundezunge über die Lefzen in seinen Gedanken. „ Es schmeckt rundum.“
Jonas schmunzelte und hechtete über die Brüstung in den Garten hinab, als er sah, dass Greg ihm den Rücken zuwandte. Sicher ahnte der ehemalige Bettler, dass er bei keinen normalen Menschen als Gärtner angestellt war, doch Jonas fühlte, dass Greg dies scheißegal war.
„Hi Greg.“ In Ermangelung des Nachnamens hatte Jonas gleich den Vornamen verwendet. Er respektierte, dass Greg seinen Zunamen nie hatte angeben wollen und hatte ihm beim ersten Rundgang in der Parkanlage das Du angeboten.
Der schlaksige Mann sprang überrascht auf und hielt die Hände mit den Gummihandschuhen wie zur Entschuldigung in die Luft. Er warf Elvis einen fragenden Blick zu, wunderte sich, weshalb sein Hund sich nicht geregt hatte. Elvis legte den Kopf schräg und ließ die Zunge seitlich heraushängen. Jonas schluckte das Grinsen hinunter und sah auf Greg hinab. Obwohl er dürr aussah, erweckte er einen viel besseren Eindruck als noch vor einer Woche, als er ihn mit Cira am Flughafen aufgelesen hatte.
„Hallo, Mister Baker.“
Jonas verdrehte amüsiert die Augen. Er mochte den Kerl.
„Wenn du nicht immer so plötzlich
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