Schwur des Blutes
ausgelegte Kabine und sah sich mehrfach in den Spiegeln. Es gab kein Tastenfeld. Seltsam. Ein computergesteuerter Aufzug? Die Türen öffneten sich mit demselben vornehmen Ping wie in der Lobby, dabei hatte sie nicht wirklich bemerkt, dass sie gefahren war. Von fern hatte das Haus hoch ausgesehen. War sie tatsächlich schon im zehnten oder fünfzehnten Stock?
Sam trat in einen Flur, der nur zu einer Tür führte – einer reich verzierten, zweiflügligen Rundbogentür. Selten überraschte sie etwas so sehr wie Amys Reichtum. Nun ja. Dann hätten sie vor der Katastrophe mit Chris und den Folgen recht gut zusammengepasst, denn arm war sie bisher auch nie gewesen … würde es aber bald sein. Eine Türhälfte lehnte nur an, als hätte Amy von innen auf einen Türöffner geklickt. Kaum drückte sie die Tür auf, bellte ein großer Hund ein Mal.
„Komm rein. Ich bin in der Küche.“
Sie schloss die Tür und tippte sich auf den Oberschenkel. „Hallo, Fire.“
Fire hatte sie längst erkannt und ließ sich freudig das Kopffell kraulen. Zum Glück lief er Sam vorweg Richtung Frauchen.
Sie blickte sich um und hätte nicht sagen können, wo sich die Küche versteckte. Ein weitläufiges Wohnzimmer erstreckte sich hinter einem Ess-Salon bis zu einer Fensterfront zu ihrer Rechten, geradeaus führten weitere Räume durch Rundbögen ab und sie folgte der wedelnden schwarz-weißen Rute nach links in einen Traum von offener Wohnküche. Amy stand in hellblauem Seidenpyjama und Kimono neben einer in anthrazitfarbenem Marmor gehaltenen Kochinsel und presste Orangen aus. Der Geruch von warmen Pancakes und Kaffee schwebte einladend im Zimmer.
„Krasse Bude.“ Sam drückte Amy einen Kuss auf die Wange und schlenderte umher. Eine umwerfende Küche, doch bei ihr wäre sie wohl verschwendet, außer sie hätte eine Köchin. „Wie geht’s dir?“
„Alles klar, Schreck verdaut. Gut, dass Timothy da war. Wie geht’s deinem Hals?“
Sam fasste sich an ihren Rollkragenpullover. Timothy. Diesen klangvollen Namen hatte sie doch tatsächlich vergessen, im Gegensatz zu seinem Erscheinungsbild. „Das Sprechen ist wieder okay. Aber ich glaube, ich gehe mit der Farbenpracht als Kinderschreck durch.“ Sie streifte die Lederjacke ab, legte sie über die Anrichte und zog kurz den Kragen hinunter.
„Ach du meine Güte …!“
Sam spürte, dass Amy noch mehr auf der Zunge lag. „Sag schon. Du weißt, mich haut nichts so leicht um.“
Amy stellte die langen Gläser mit dem O-Saft, Kaffee und die Teller mit dampfenden Pfannkuchen zu dem Ahornsirup
und dem Schälchen mit Butter und schob sich auf einen der Barhocker. „Ja, genau deshalb. Du riskierst dein Leben.“ Sam setzte sich ebenfalls und ließ zwei Würfelzucker in den Bohnenkaffee gleiten. „Du nicht auch?“ „Habe ich, ja. Aber das ist vorbei.“
„Aha, also keinen Pulitzerpreis mehr. Und warum wolltest du unbedingt dabei sein?“
Amy brach ihren Pancake mit spitzen Fingern in kleine Stücke. „Weil ich es dir versprochen hatte, als du mit deinem Artikel zu mir kamst, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich dich im Stich gelassen habe, als du mich anriefst und weil ich dachte, es wäre nicht ganz so riskant, wenn wir zu zweit wären. Aber …“
„Hast du mir trotz deiner Recherchen nicht geglaubt, dass es sie gibt?“
„Natürlich. Doch, ja.“
„Inzwischen weiß wohl jeder, der die Nachrichten verfolgt und nicht völlig blind durchs Leben geht, dass sie existieren.
Oder?“
„Hm.“
„Und es hätte funktioniert, hätte sich dieser blöde Kerl nicht im Wald herumgetrieben und meine Falle ausgelöst.“ Es versetzte ihr einen eigenartigen Stich, als sie so von Timothy sprach. Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken. Er war gegangen, als sie sich wie eine … eine … ja genau aufgeführt hatte. Was er jetzt über sie dachte, konnte sie sich vorstellen. Aus – vorbei – basta.
Amy schüttete Ahornsirup auf ihren Pancake, bis er in der süßen, hell orangefarbenen Soße schwamm. „Nun ja. Es ist normalerweise nicht meine Art, doch ich bitte dich, mir zu glauben, dass es gesünder ist, jetzt, exakt jetzt, damit aufzuhören. Du bist noch so jung. Was versprichst du dir davon? Rache? Mensch, Sam. Du wirst dabei draufgehen!“
Das klang wie eine Warnung. „Und das denkst du erst jetzt?“
Amys kaffeebraune Haarmähne schwang herum, ihre auffälligen schwarzen Augen funkelten. „Ich hatte keine Ahnung, dass diese Werwölfe so gefährlich sind.“
„Was
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