Schwur des Blutes
sie sich, Schuhe zu tragen. Sie holte tief Luft und trat mit Wucht gegen die Tür. Sie flog auf und krachte an eine Holzwand. Ein schweres Bild rauschte hinter der Tür hinab und zerbarst am Boden.
Etwas sprang aus der Dunkelheit auf sie zu. Cira schoss. Der Knall hallte in ihren Ohren, während ihr Kopf ruckartig in den Nacken schlug, als jemand sie an der Kehle ins Zimmer zog. Ein derber Fluch. Eine Hand entriss ihr die Waffe. Die Tür donnerte in ihrem Rücken zu. Cira meinte, das Zuschnappen von Schlössern zu hören.
Kerzenschein erhellte spärlich den Raum, Schatten tanzten wie Gespenster an den vertäfelten Wänden. Die Flammen spiegelten sich auf den Gläsern der Sonnenbrille. Sie blinzelte, rang nach Atem. Der harte Griff lockerte sich, die Hand schob sich über ihren Hals in ihr Genick und packte wieder zu.
Cira wusste, dass sie Ny’lane vor sich hatte, doch sie bekam keinen Ton hinaus. Er schien so … verändert. Blut tropfte von seinen langen weißen Fängen. Er sah schlimmer aus als die überzeichneten Vampire aus Horrorfilmen. Nyl löste eine noch nie ihm gegenüber empfundene Furcht aus.
Ny’lane zog sie ein Stück weiter an sein Gesicht heran. „Hallo Cira.“
Sein Bass klang tief und erregt. Cira versuchte, sich zu räuspern. Das war lächerlich. Sie waren Freunde. Nyl würde ihr keinesfalls wehtun. Er wusste, was Jonas mit ihm machen würde, falls er sie auch nur anrührte. Ny’lanes dunkle Lippen verzogen sich zu einem selbstgefälligen Lächeln. Er las ihre Gedanken. Seine Fänge stachen noch länger hervor, seine Glatze glänzte im Flackerlicht. Er nahm mit der freien Hand seine Sonnenbrille ab und Cira verlor sich augenblicklich in seinen schwarzen Augen. Die leuchtenden platinfarbenen Punkte verzauberten sie, zogen sie in ein unendliches All, ließen sie schweben.
Cira kam zu sich, als ein Finger auf ihre Halsschlagader drückte. „Nyl“, krächzte sie, „lass das.“
Sein Blick wirkte matt. Er strich über ihre Ader. Atmete schwer. „Es ist so lange her“, murmelte er, dann stieß er sie von sich, fauchte und stürzte sich in die schützende Dunkelheit des Raumes. „Geh ins Bett, Cira. Sofort! Und du, fahr fort.“
Cira taumelte, als fehlte ihrem Körper Nyls Halt. Mit drei Schritten stand sie keuchend auf dem Flur. Wie ein elektrischer Schlag traf sie das Geräusch, das sie hergelockt hatte. Ein lauter, heller Knall, zu dem sich ein unterdrücktes Stöhnen gesellte. Cira trat durch die Tür zurück ins Zimmer und kniff die Augen zusammen, doch sie erkannte nur schemenhafte Umrisse. An der Wand ertastete sie einen Lichtschalter und betätigte ihn, ohne nachzudenken. Ihr stockte der Atem. Ny’lanes gewaltiger Körper kniete auf dem Parkettboden, das Gesicht nach unten gerichtet, sodass sie über seinen kahlen Hinterkopf, den Nacken und die Wirbelsäule auf den Ansatz seines Hinterns sehen konnte. Jeder Inch seiner schwarzen Haut wölbte sich vor Muskeln, die vor Schmerz zuckten, surrte die lange Peitsche auf ihn hinab. Die Schläge verebbten. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nackt war. Wer ihn misshandelte, erkannte sie nicht, weil die Gestalt sich wie ein Ku-Klux-Klan-Mitglied vermummt hatte. Cira öffnete den Mund, als Nyl das Kinn hob und sie ansah.
„Du solltest nicht hier sein.“
„Was … was tust du?“
Er knurrte ungehalten. „Ich vergesse!“
„Du …“
Nyls Kopf ruckte zur Tür. Im selben Moment spürte Cira es.
„Jonas kommt“, zischte Nyl und erhob den Oberkörper. Er fletschte die Zähne, seine Nackenmuskeln wölbten sich, die tellergroßen Brustmuskeln pumpten.
~~
Sam rauschte mit der BMW heran und stoppte vor ihm. Ihr Finger zeigte unauffällig auf eine Politesse ganz in der Nähe. Timothy schluckte den hochgeschwappten Frust hinunter, nickte und setzte sich hinter Sam. Mann, allein ihr Anblick auf dem Motorrad brachte ihn sofort wieder auf Touren.
„Das waren anderthalb Minuten.“
Timothy hörte an dem Vibrieren ihrer Stimme, dass sie lächelte. Er legte das Kinn auf ihre Schulter und brummte: „Entschuldigung.“
Sie lachte und fuhr los. Nach einiger Zeit bog sie in einen bewaldeten Weg ein und stoppte, als er ihr auf den Arm tippte. Es fiel ihm schwer, sich von ihrem warmen Körper zu lösen. Am liebsten hätte er sich einfach an sie gekuschelt, die Nase in ihrem Nackenhaar vergraben. Es fühlte sich an, als würde er eine Einheit auseinanderreißen, versuchen, Plus- vom Minuspol zu trennen. Eine äußerst beunruhigende und gleichsam wohlige
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