Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwur des Blutes

Titel: Schwur des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madea Stephanie
Vom Netzwerk:
nehmen.“
Nyls vor Aufregung ausgefahrene Reißzähne blitzten. Jonas spürte, dass jedes Wort der Wahrheit entsprach und dass er
meinte, was er sagte. Jonas ließ sich nichts anmerken, aber es riss sein Herz entzwei, wenn er daran dachte, dass sein Freund
eines Tages sein Dasein beenden könnte, wie er es beinahe erfolgreich getan hätte. Am liebsten hätte er Ny’lane fest in die
Arme genommen und auf ihn eingeredet, ihn zu überzeugen versucht, dass das Leben einen Sinn hatte – für jeden. Sogar für
ihn hatte es nach über 200 Jahren eine unverhoffte Erlösung gegeben. Also gab es auch eine für Nyl. Da war er sicher. Es gab
niemanden, dem er mehr verdankte als Nyl. Ihn selbst hatte es an den Rand der Verzweiflung getrieben, dass er ein Abhängiger, ein Tribor gewesen war, doch er hatte gedacht, dass Ny’lane, der berühmt-berüchtigte ‚Silver Angel‘, sich in seiner Rolle
wohlfühlte. Verflucht, wie hatte er nur so verkehrt liegen können? Spätestens seit Diandros Tod, als die Gabe, die Gefühle
anderer zu spüren, auf ihn übergegangen war, hätte er Ny’lanes dunkle Seele erfassen müssen.
Nyl stoppte und erst in dem Moment bemerkte Jonas, dass sie die Farm von Ciras Eltern erreicht hatten. Nyl öffnete mittels Gedanken das schwere, verrostete Viehtor. Zu beiden Seiten erstreckte sich ein reparaturbedürftiger Weidezaun. Vieh sah
er auf den verdorrten Weiden allerdings nicht. Er hatte nicht vorab anrufen können, denn Ms. Anderson besaß kein Telefon. Nachdem er vergeblich allen Krankenhäusern in und um San Francisco herum einen Besuch in den meist tief gelegenen
Aktenkellern abgestattet hatte, um nach einem Hinweis auf Ciras Kind zu suchen, war er im letzten unverhofft über den
Namen ihrer Mutter gestolpert. Das Hospital hatte die Akten aus der Zeit bereits in ein Computersystem eingeben lassen, das
die Daten rasch ausspuckte. Der Name, das Alter, die Adresse und die Blutgruppe stimmten. Er wusste sofort, dass diese
Ms. Anderson Ciras Mutter sein musste. Die Einlieferung war vor gut sieben Jahren wegen eines Nervenzusammenbruchs im
San Francisco Shoppingcenter bei Bloomingdales vorgenommen worden, wobei sie einige innere Verletzungen festgestellt
hatten. Er hoffte, sie noch einigermaßen bei Gesundheit aufzufinden.
Nyl fuhr langsam auf die leicht windschiefe Ranch zu. Eine schmale Holzterrasse umgab das bescheidene Farmhaus, die
Vorhänge waren zugezogen, doch er spürte einen Menschen im Inneren. Weiblich, Anfang sechzig, ruhend, dennoch pochte
der Herzschlag unregelmäßig.
Sie stiegen aus. Jonas zog sein Jackett über und nahm einen Blumenstrauß vom Rücksitz. Er sah nicht mehr ganz so frisch
aus wie heute früh, aber das tat der beruhigenden Wirkung hoffentlich keinen Abbruch. Nyl brummte abfällig und krempelte
widerwillig seine Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hinunter. Jonas betrat die höher gelegte Terrasse und klopfte kräftig an
den Holzrahmen der Fliegentür.
Die Dame rührte sich, richtete sich auf, suchte Schuhe. Ein seltsames Klicken, dann vorsichtige Tritte auf altem Holzfuß
boden. Jonas räusperte sich, besann sich, dass Ciras Mom nicht seinen Hass verdiente, auch wenn sie hätte eingreifen müssen. Er zwang den Zorn hinab und öffnete sich, um die Emotionen der Frau besser deuten zu können. Als er ihre zarten, verletzten und verunsicherten Gefühle wahrnahm, durchströmte ihn eine Liebe wie von einem Sohn zu
seiner Mutter und er hätte sie am liebsten auf der Türschwelle in die Arme gerissen. Er wusste, sie würde sich zu Tode erschrecken, denn um ihre Gesundheit stand es nicht zum Besten. Deshalb trat er einen Schritt zurück, von dem Holzabsatz
hinunter.
„Oh Mann, wie eine Schnecke. Darf ich das alles beschleunigen?“
Jonas warf Nyl hinter sich einen strafenden Blick zu. Er wollte nicht, dass er im Gehirn von Ciras Mutter herumwuselte.
„Vielleicht wartest du doch besser im …“
Das Schloss quietschte und das verwitterte Türblatt ruckte mitsamt der Moskitoschutztür leicht auf. „Ja, bitte?“ Ihre Stim
me klang gebrechlich, wie lange nicht benutzt.
„Ms. Anderson?“ Jonas räusperte sich. „Ich bin Jonas Baker. Mein Freund Nicolas Ballantines begleitet mich. Ich hätte
mich gern angekündigt, aber leider …“
„Schon gut, junger Mann. Können Sie sich ausweisen?“
„Natürlich.“ Jonas zog seine Brieftasche aus der Hose und reichte sie aufgeklappt durch den Türspalt. Führerschein, Kreditkarte, Sozialversicherungskarte … egal, was sie sehen wollte, sie

Weitere Kostenlose Bücher