Science Fiction Almanach 1981
im Hafen finden könnte, das mich mitnimmt …“
„Nicht, wenn Ihr nicht zahlen könnt.“
„Wieviel?“
„Mehr als nichts, und mehr als das habt Ihr nicht. Und a l les, was ich habe …“
„Wie kann ich denn das Geld bekommen? Ich kann nichts tun!“ Seine Hand schlug gegen den geschwärzten Rahmen. „ Tamates! Ich kann nichts tun … es wird niemals zurüc k kommen. Gehen wir.“ Abrupt ging er zur Straße zurück.
Als sie wieder in der Hütte waren, nahm er den Lederhut und stand vor dem zerbrochenen Spiegel an der Wand. Er begann, die Verbände zu lösen, die seinen Kopf verbargen. Als er die letzten Bandagen löste, sah sie, wie seine Hände entnervt herabsanken; die Stoffstreifen fielen hinunter. Sie sah sein Gesicht im Spiegel; die halbverheilte Wunde, die über seine Wange bis zur Kopfhaut verlief, die heftige Rea k tion in seinen Augen.
„Cristoval“, flüsterte sie, „vor einiger Zeit war es noch schlechter. Es wird besser werden, demnächst, viel besser.“ Ihre Augen trafen die seinen im Spiegel, Augen, grau wie die Sorge.
Er sah weg, ging zur Tür und hinaus, sagte kein Wort.
Den ganzen heißen Herbstnachmittag saß sie am We b stuhl und wartete, doch er kam nicht zurück. Sie beobacht e te, wie das Tuch wuchs und wuchs, während sie das Schif f chen emsig hin und her schob und daran dachte, wie sehr es in letzter Zeit gewachsen war, seit der Fremde in ihr Leben getreten war. Sie ging hinunter zum Fluß, aber er war nicht da; zurückgekommen, badete sie und wusch ihr Haar. Die Essenszeit kam und verstrich. Hund saß im Türrahmen und winselte ins Zwielicht. Hungrig nach gebratenem Fisch, trank sie Wasser und aß trockenes Brot … Er würde den abgestorbenen Orangenbaum fällen, hatte er gesagt, bevor er auf ihr Haus fiel … er wollte ihr einen Baldachin aus Palmenblättern erbauen, um ihr Schatten zu spenden, wä h rend sie kochte. Einen Zaun aus Lehmziegeln … ein Hü h nerhaus … eine Dusche … ein richtiges Bett. Ein Leben für ein L e ben …
Sie blies die Kerze aus und legte sich auf ihr Strohlager. In der Dunkelheit erinnerte sie sich an das Gefühl seines Körpers neben ihr, die Berührung seiner Hände. Sicher war er in die Wüste gegangen. Er würde den unerreichbaren Bergen entgegengehen, um nach Hause zu gelangen. Und letztendlich würde er sich niederlegen und sterben, allein, und die Raubvögel würden an seinen bleichen Knochen pi c ken. Sie hörte das Läuten der Mitternachtsglocken, unbar m herzig und niemals vergebend. Sie verspotteten sie und ri e fen sie beim Namen. Amanda, Amanda …
„Amanda …?“ Es rasselte an der Tür. Hund sprang auf die Beine und bellte glücklich. „Amanda? Willst du mich einlassen?“
Sie rannte zur Tür, in ihre Decke gehüllt, ihr Haar strömte ihr über den Rücken. Sie entriegelte die Tür und öffnete; das Licht des Vollmondes beschien ihr Gesicht. Cristovals im Schatten verborgene Augen betrachteten sie lange, stumm. Endlich trat er einen Schritt vorwärts, ins Haus. Sie entzü n dete eine Kerze, während er die Tür wieder verriegelte und brachte ihm Brot und Wasser. Er trank in langen Zügen und seufzte. Sie saß ihm gegenüber am Tisch, bedeckte ihr G e sicht mit einer Ecke ihrer Decke, doch sie fühlte keine Ve r legenheit. Sie fragte ihn nicht, wo er gewesen war, und er sagte es ihr nicht; er hielt den Kopf leicht gebeugt, um seine Wunde zu verbergen.
„Amanda …“ Er beendete seine Mahlzeit und trank e r neut. „Sag mir, warum du nicht verheiratet bist.“
Sie sah erstaunt auf. „Was … jetzt?“
„Ja, jetzt. Bitte.“
„Ich erhalte keine Mitgift“, sagte sie einfach, in der Hof f nung, er würde es verstehen und es dabei belassen. „Kein Mann würde mich nehmen.“
Eine undeutbare Miene erschien auf seinem Gesicht. „Aber dein Vater muß ein reicher Mann sein; ihm gehören all diese Felder … Warum behandelt er dich so, warum lebst du in diesem Schuppen?“
Sie errötete. „Er ist sehr großzügig, mich hier leben zu las sen! Ich habe ihn beschämt, und er enterbte mich. Er hätte mir gar nichts geben müssen, dann wäre ich wie Ihr. Aber er ließ mich in dieser Hütte bleiben und in seinen Feldern ernten. Ich … ich nehme an, er hätte sich zu sehr geschämt zu sehen, wie seine Tochter eine Bettlerin wird – oder eine Hure.“
„Warum hast du ihm nicht gehorcht? Was hast du getan?“
„Ich wollte den Mann nicht heiraten, den er für mich e r wählt hatte. Es war ein guter Mann, aber ich
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