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Science Fiction Almanach 1981

Science Fiction Almanach 1981

Titel: Science Fiction Almanach 1981 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Glasfenster waren dunkel. Es war Nacht. Sie und die and e ren Schwestern murmelten das Nachtgebet.
    Sie formte die Worte mechanisch und ließ die Rose n kranzperlen durch ihre Finger gleiten; als sie fertig war, blieb sie für die vorgeschriebene Meditationszeit sitzen, bis sie ins Bett ging.
    Die Kerzen auf dem Altar flackerten; um sie herum war kein Laut zu hören – außer dem Flüstern von trockenen Li p pen, dem Klappern der Perlen, dem leisen Rascheln von Stoff. Um sich herum sah sie die gebeugten, schwarz ve r schleierten Köpfe, steif verhängt wie Särge – und machte sich Vorwürfe. Keine Disziplin! Sie hatte die Kontrolle über ihre Augen verloren, und sie würde sich dafür bei der Ve r sammlung vor den Schwestern selbst anklagen müssen.
    Sie senkte ihren Blick und sah auf den abgewetzten Sitz der Chorgestühlbank vor sich, der gerade angehoben worden war, damit die Schwester sich darin hinknien konnte. Das Brett, auf dem sie selbst kniete, war durch jahrelangen G e brauch konkav gerieben worden. Wieviele Nonnen haben hier schon gekniet, dachte sie. Konnten sie beten?
    Ich bete nicht, beschuldigte sie sich selbst, ich träume vor mich hin. Ob ich wohl dieses Frühjahr wieder für die Ga r tenarbeit eingeteilt werde? Ich hoffe es. Ich freue mich am Geruch der Erde und an der Sonne mit ihrer Wärme und an dem Genuß, Dinge wachsen zu sehen. Um der Demut willen sollte ich Küchendienst verlangen.
    Sie sah auf ihre aufgesprungenen, schwieligen Hände herab und auf den einfachen Goldring an ihrem rechten Ringfinger. Christus angetraut. Und keinem Mann. Lieber Gott, wo bist Du? Wenn Du da bist, warum kann ich dann nicht mit Dir sprechen? Warum kann ich Dich nicht mehr hören? Oder habe ich das jemals getan? Sie sah zu dem Altar hinüber, zu dem flackernden roten Licht, das das S i gnal für die Anwesenheit Gottes war, und fühlte nichts.
    Bitte, Herr, betete sie, als ich jung war, habe ich die Welt aufgegeben, und ich bin in Deinem Dienst alt geworden. Ich bitte Dich, o Herr, wo bist Du?
    Laß mich etwas fühlen. Gib mir meinen Glauben zurück. War es alles umsonst?
    Es kam keine Antwort. Sie konnte die Heiligen in den bunten Glasfenstern lachen hören, und die Statuen sahen mit einem wissenden Lächeln auf sie herab. Ihr Kruzifix hing schwer und kalt um ihren Hals.
     
    Endlich war sie nirgendwo und hatte kein Alter, konnte nichts sehen, sich aber dafür an eine Menge Dinge erinnern. Warum konnte sie sich erinnern?
    So viele Dinge, so viele verschiedene Dinge, alle durc h einandergeworfen, das Große und Tragische, das Lustige und Alltägliche. Es hatte schreckliche Zeiten gegeben und gute, Geburten und Tod und Liebe, Willkommen und A b schied, verkrüppeltes Herumstolpern und Tanzen im Kreis bei Mondschein, Weinen und Singen und ruhige, stille Freude.
    Ich muß tot sein, weil ich mich an all das erinnere; ist es noch nicht zu Ende? Hört es denn nie auf?
    Nein, sie wußte es. Alles geschieht zu seiner Zeit, in der Zeit, alles, was es gibt. Es gibt kein Ende.
    Ich wollte immer dazulernen. Was werde ich jetzt durc h machen?
     
    Sie hatte wieder ein Bewußtsein, und ihre Erinnerungen verblaßten mit der Dunkelheit. Alles war jetzt verschwu n den, alles außer einer letzten beharrlichen Erinnerung an Hände und Füße und Augen. Und was war – menschlich?
    Das Wasser, das sie umgab, war irgendwie seltsam; wa r um hatte sie erwartet, daß es salzig schmecken würde? Es schmeckte, wie es schmecken mußte, nach seinen eigenen, richtigen Mineralien. Ihr Körper wand sich im Takt mit der sanften Wellenbewegung. Oben zuckten Blitze und brachten das Wasser zum Prickeln. Warum fühlte sie sich seltsam, am falschen Platz? Um sie herum wimmelte es von Wesen, die wie sie selbst waren, schlank, bunt und irgendwie … Was war das doch gleich, woran sie sich erinnerte? Jetzt war es weg, und diese Welt war jung. Sie und ihre Triade pulsten davon in das warme, flache Meer, das nicht mehr fremd war.
     

Rachel Cosgrove Payes
Flucht in die Vorstadt
     
    „Damit kommen wir nie durch, Juan.“
    „Red’ nicht, Willie. Sind wir etwa nicht Seelenbrüder, du und ich?“
    Der junge Mann nickte feierlich. Seine Massai-Zöpfe baumelten über seine schwarze Stirn. Er war größer als Juan, hatte mehr Muskeln, war stärker; aber sein drahtiger Seele n bruder hatte Köpfchen. Willie erkannte Juans Überlegenheit an und fügte sich seinem Urteil.
    „Wir können es schaffen, Willie, wir können hier herau s kommen.“
    Willie rollte

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