Science Fiction Almanach 1982
eigentlich neuerdings nicht an Protesten, an Angriffen, an Unfreundlichkeiten fehlen lassen.
Molotow: Taktik, Genosse. Sie wissen: Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, wir hätten Furcht vor Koalitionen, vor Mangel, vor der Atombombe, vor was weiß ich …
Kommissar (sehr trocken): Natürlich. Dieser Eindruck darf nicht entstehen.
Molotow: Noch eins: Der Protest gegen die New Yorker Pressestimmen zur neuen Rede Atchesons im Kongreß?
Kommissar: Gestern an die Botschaft übergeben. Wollen Sie Marshall darauf ansprechen?
Molotow: Bestimmt nicht! Die Parole heißt: Herzlichkeit! Und Zeit gewinnen!
Kommissar: Sicher. Das ist der Sinn der Konferenz. Unserer Konferenz!
(Beide lachen, herzlich und unbefangen. – Ausblenden.)
Vlacek: Diese beiden Männer eben – sie waren einst in der Zarenzeit Revolutionäre. Sie gehören zur alten Garde der Bolschewiki. Vor diesen Leuten hatte die übrige Welt seit drei Jahrzehnten Angst. Wieder eine andere Art der Angst. Die Furcht vor der sozialen Revolution nämlich. Heute stellen wir zurückblickend fest: Diese Leute waren ihrem Jahrhundert in mancher Hinsicht voraus. Zum Beispiel hebt die konsequente Befolgung der Lehre von Karl Marx den Nationalstaat auf. Indes, die Entwicklung zwang die Russen zu Umwegen. Hitlers Angriff rief einen unerwartet echten Sowjet-Patriotismus hervor. Die Formel Stalins aus den 20er Jahren: „Sozialismus in einem Lande!“ wandelte sich zu dem erstaunlichen Begriff des „Sozialistischen Vaterlandes“. Und das war keine leere Floskel. Achten Sie darauf, wenn wir jetzt in das Haus der Flugzeugindustrie kommen. Hier – in diesem großen Saal – werden die Vollsitzungen des Kongresses stattfinden. Wir sehen Techniker verschiedener Nationen bei den letzten Vorbereitungen.
(Hämmern. Kurz ein Drillbohrer. Dann das Schleifen von Kabeln. Schritte.)
Raizew: So, Mr. Stone. Jetzt wird’s klappen. Ich laufe mal in die Kabine, ein paar Worte durchsagen, zur Probe.
Stone: Bitte, Kamerad Raizew!
(Schritte, dann)
Raizew (verzerrte Stimme, durchs Mikrofon): Ich beginne. Können Sie mich sehen? Alles klar?
Stone: Bild ist scharf. Ton ziemlich undeutlich.
Raizew: Moment! (Krächzender Ton.) So … Jetzt?
Stone: All right!
Raizew (ein Lachen unterdrückend): Das … müssen Sie noch mal sagen!
Stone: All right! (Pause.) All right! – Was ist denn los?
Raizew: Mir … fiel nur was ein. Komisch … (lacht), daß gerade Sie …
Stone: Wieso – ich?
Raizew: Sie sind doch aus Halle?
Stone: Ja.
Raizew: Kennen Sie Ammendorf?
Stone: Ja! Das Grubennest … Ammendorf! Was ist damit?
Raizew: Da saß ich. 1921, mitteldeutscher Aufstand. Wir hatten einen Draht zum Leunawerk. Für die Besetzung gab’s ein Stichwort. Eben: All right! Einfach: All right! Dann kam die Reichswehr-Brigade Maerker – und wir hauten ab. Der Draht war nämlich ’n Militärdraht. So einfach war das damals. All right.
Stone: Merkwürdig, Kamerad Raizew … Mein Vater war Stadtrat, den verhafteten sie. Ich war damals noch ’n kleiner Junge …
Raizew: Und heute? (da Stone schweigt) Warten Sie, ich komme rüber.
(Schritte.)
Morgen werden Marshall und Bevin und Bidault an dem Kabel da hängen. Wenn die auch einfach „All right“ sagen würden, wie? Aber die werden ganz was anderes sagen: Ich fordere! Ich bestehe auf … Und: Ich protestiere nachdrücklich! – Sehen Sie, Stone: Damals in Ammendorf, da redeten wir! Sie und ich. Die schaffenden Menschen. Morgen – spricht England und Amerika und Frankreich.
Stone: Und Rußland!
Raizew (ruhig): Ja. Und Rußland! Das ist ein Fall für sich. Das Sowjet-Vaterland ist die Heimat aller. Deshalb hat die Welt dafür gekämpft.
Stone: Na, ob nun gerade deshalb … Fragen Sie mal General Marshall!
Raizew: Doch. Ob sie’s nun wußten und wollten – oder nicht! Alle! Und so wird es immer wieder sein. Das ist die wahre Front, an der sich alles entscheidet.
Stone (ehrlich erschrocken): Glauben Sie – an einen dritten Weltkrieg?
Raizew (sehr ruhig): Nein. Wir können ihn jetzt nicht brauchen.
Stone: Jetzt sagen Sie! Am Vorabend einer Friedenskonferenz! Denken alle Russen so?
Raizew: Ich glaube, es kommt genau so darauf an: Was denken die Engländer? Die Amerikaner? Und, vor allem – die Deutschen! Eigentlich sind Sie doch ein Deutscher? (Lacht.) Gewissermaßen ein
Weitere Kostenlose Bücher