Science Fiction Almanach 1982
erste kostete die Gesundheit. Der zweite erschöpfte fast schon die Lebenskraft. Der dritte würde uns umbringen.
Aus lauter überkluger Angst unternehmen wir nichts gegen das näherkommende Unheil. Viele glauben und verkünden, es gebe kein Entrinnen mehr. Aus der eigenen lähmenden Furcht leiten sie ein angeblich unausweichliches Gesetz des Unterganges ab.
Aber selbstverständlich können wir uns retten. Wir müssen es nur ernstlich wollen. Freilich ist dazu etwas nötig, was der trägen menschlichen Natur unendlich schwer fallt: Wir müssen uns ein einziges Mal aufraffen und vor dem Eintreten der Todesgefahr so entschlossen handeln, wie wir in dieser Gefahr handeln würden.
Wir müssen dem Verderben an die Wurzeln gehen. Eine dieser Wurzeln ist sicher immer noch der Kapitalismus. Es ist eine alte, knorrige Wurzel, zum guten Teil schon verrottet; die Reste müssen wir ausroden. Aber es gibt noch mehr solcher Wurzeln, und sie sind nicht immer leicht zu entdecken. Da ist etwa der politische Absolutismus mit seinem Irrglauben an alleinseligmachende Formeln; es scheint, daß er in jedem Klima gedeiht, im milden Regen der Demokratie so gut wie unter der dörrenden Sonne des Faschismus. Und noch üppiger wuchert überall die staatliche Bürokratie; diese besonders unheilvolle Wurzel überdauert bekanntlich Revolutionen wie Restaurationen gleich gut. Mit einem ganzen Geflecht von Saugarmen durchzieht und schwächt sie den Nährboden, auf welchem Völker und Einzelne wachsen wollen.
Es geht nicht mehr um diese Wurzeln, es geht um den Humus selbst, dem schon zu viel Kraft entzogen wurde. Um ihn wieder ertragfähig zu machen, müssen wir ihn endlich einmal von Grund auf umpflügen. Und ich weiß nicht, ob die Pflugscharen unserer gesellschaftlichen und politischen Lehren tief genug fassen. Nicht Formen oder Formeln müssen wir verändern. Die Voraussetzung unseres ganzen Weiterlebens muß noch einmal geschaffen werden.
Ein Schnitt muß vollzogen werden. Ich glaube – dieser: Wir können uns keine Nationen mehr leisten! Sie müssen von der Erde verschwinden. Und zwar rasch.
Dagegen lassen sich nun endlose Bedenken und Einwände erheben. Alle will ich mit Geduld widerlegen, nur die eine Behauptung nicht: Nationen seien ewig, von der Natur oder Gott gewollt. Nein! Wir können ihr Entstehen in historischer Zeit studieren. Weshalb also sollten sie nicht von höheren Formen abgelöst werden? Um so mehr, als erste Anzeichen solcher Formen sich schon überall feststellen lassen.
Naturgewollt schienen einst auch Menschenfresserei und Sklaverei; sie sind abgeschafft. Gottgewollt schien das unbegrenzte Eigentumsrecht; es schmilzt dahin; langsam erst – aber soziale Gerechtigkeit ist unmöglich in einer Welt von Nationen.
Was soll geschehen? Wir dürfen keine Zeit verlieren. In kurzem sollen sich die Außenminister wieder in Paris treffen. Das ist unnütz. Protokolle sind keine Heilmittel mehr. Entschlossene Männer aller Völker mögen sich zusammenfinden: Techniker, Wirtschaftler, Wissenschaftler, Denker. Menschen mit Mut und mit Phantasie, die vergessen, was in ihren Pässen steht. Und der einzige Punkt ihrer Tagesordnung laute: Rettet die Welt – jetzt!
Ich bin jung genug, um an dieser Konferenz teilzunehmen.
9. Mai 1947
G. B. Shaw
Vlacek: Das war George Bernard Shaws Brief. Heute stehen Sätze daraus in jedem Schullesebuch. Aber wie wirkten diese Worte damals?
(Leise, rhythmische Musik unter dem Folgenden!)
1. Stimme: Shaw – der Clown der Welt!
2. Stimme: Unterhausmitglied zitiert Shaw. Lacherfolg!
3. Stimme: Ein gefährlicher Scherz! Spiel mit der Heiligkeit des Eides!
4. Stimme: Mr. Scrapper, Birmingham, erstattet Anzeige gegen Shaw. Will Mißbrauch eines Notars nachweisen.
5. Stimme (Frau): Shaw – die Stimme des gesunden Menschenverstandes!
2. Stimme: Washington: General Marshall wurde von Reportern nach seiner Meinung über Shaws Brief gefragt. Er sagte: Ich habe ihn nicht gelesen.
4. Stimme: „Daily Telegraph“ schreibt: Shaw ist ein Phantast, den anscheinend manche Leute ernstnehmen.
1. Stimme: Hoover telegraphiert an Shaw.
5. Stimme (Frau): Verfahren gegen Shaw eingestellt. In einem Aufsatz nennt Shaw die Atlantik-Charta „eine unbegreiflicherweise unpopuläre Heilsbotschaft.“ Ein Reporter fragt, welche der vier Freiheiten Roosevelts Shaw für die wichtigste halte. Shaw antwortete: „Freiheit von Furcht. Sie enthält die anderen drei in
Weitere Kostenlose Bücher