Science Fiction Almanach 1982
vorher 91 Jahre alt gewordene Bernard Shaw. Der junge Amerikaner Elliott Roosevelt, der Sohn des großen verstorbenen Präsidenten der USA. Und seine Frau Fay, eine frühere Schauspielerin. Vielleicht fuhren sie gemeinsam durch das Troitzkij-Tor in den Kreml.
Und hier finden wir sie wieder: In einem Arbeitszimmer, bei dem vierten Teilnehmer des Gesprächs.
Da ist die frische Stimme des jungen Roosevelt:
Roosevelt: Denken Sie an die Augenblicke, in denen Sie und mein Vater Freunde waren, Generalissimus! Ich meine, solche Tage hat es gegeben.
Stalin: Gewiß. Tage gemeinsamen Kampfes.
Roosevelt: So ist es heute wieder! Wenn mein Vater hier stünde …
Stalin: Würde er hier stehen? Er war – ein großer Realist.
Shaw (trocken): Richtig beobachtet, Mr. Stalin. Deshalb hatte er auch so viel Phantasie. Mehr als wir drei zusammen. Oder jedenfalls – mehr als ich.
Stalin (leise lachend): Na, Bernard Shaw: Ihre Phantasie ist noch recht aktiv. Diese Reise hierher …!
Shaw (seufzend): Was sollte ich machen? Es gab einen wichtigen Anlaß dafür. Interessiert er Sie?
Stalin: Noch einen Anlaß?
Shaw: Ja. Ich habe es satt, den Leuten fortwährend vernünftige Ansichten durch Theaterstücke einzubläuen. Die nächsten Jahrzehnte möchte ich gern einmal produktiv arbeiten.
Stalin: Aha! Deshalb begeben Sie sich nun in die Weltpolitik.
Shaw: Das ist – direkte Aktion! So hieß das ja wohl bei den alten russischen Revolutionären?
Stalin (reserviert): Sicher haben Sie sehr amüsante Begriffe von unserer Revolution, Mr. Shaw. Aber auch das wird mich nicht überzeugen, daß wir einen gemeinsamen Standpunkt finden könnten.
Roosevelt (lebhaft): Nicht finden! Er ist vorhanden!
Shaw: Sie sollen auf keins Ihrer großen Ziele verzichten, Stalin!
Roosevelt: Im Gegenteil! Gehen Sie für Ihre Ziele mit uns! Wie damals im Kriege.
Fay Roosevelt: Mr. Stalin, darf ich etwas sagen?
Stalin (höflich): Bitte, bitte!
Fay Roosevelt: Ich bin in Ihren Augen sicherlich ein recht überflüssiges Luxuswesen.
Stalin: Aber – Mrs. Roosevelt …!
Fay Roosevelt: Doch, doch! Im Vertrauen: Ich bin ziemlich sicher, daß mein Typ in 50 Jahren ausgestorben ist …
Roosevelt: Das wäre schrecklich!
Fay Roosevelt: Aber – außerdem bin ich eine Frau. Und Frauen haben oft mehr gesunden Menschenverstand als Männer.
Shaw: Richtig! Deshalb schrieb ich meinen „Wegweiser zum Sozialismus“ für sie!
Fay Roosevelt: Nun also! Und dieser gesunde Menschenverstand sagt mir: Ich möchte die Welt auf meine Art genießen. Mein Mann will etwas mehr als das. Mr. Shaw will schon viel mehr: Er will die Welt erziehen. Und Sie wollen sie … umkrempeln, glaube ich. Verzeihung, Mr. Stalin! Nun: Wenn jeder fest auf seiner Absicht besteht, dann geraten wir aneinander. Und dann – wird es sehr bald gar keine Welt mehr geben, die man genießen, erziehen oder umkrempeln kann. (Plötzlich verlegen) Ja … das wollte ich sagen.
Shaw (klatscht in die Hände): Die beste Rede, die ich je hörte! – Stalin, haben Sie verstanden? Allzu gewaltsame Realisierung einer Idee hebt die Idee auf. Das ist zwar kein Marxismus. Aber – konnte Marx die Atombombe voraussehen?
Stalin: Lassen Sie Marx aus dem Spiel! – Wenn ich mich nun, theoretisch, auf Ihre Basis stelle: Was wollen Sie? Praktisch?
Shaw (rasch): Waffenstillstand der großen Gegenspieler!
Roosevelt (ebenso): Politisches Moratorium! Keine Friedensschlüsse! Keine Reparationen!
Shaw: Keine unnützen Konferenzen! Und – Aufhebung der Grenzen für alle notleidenden Länder!
Roosevelt: Natürlich nur so lange, bis das Gleichgewicht der Produktionskräfte wiederhergestellt ist.
Shaw: Elliott, – daran glaubt Mr. Stalin ja nicht! – Sagen wir: Bis die Krisen der kapitalistischen Welt wieder normal verlaufen!
Stalin (lacht leise): Ein Köder, wie? (Ernster): Aber – Ihr Mr. Churchill und sein Paneuropa – in dieser Front …
Shaw: Mein Churchill tritt zurück, wenn Sie mit uns gehen. Dafür bürge ich. (Eindringlich): Stalin! Eine Chance, um den Sozialismus zu retten … Die letzte Chance!
Stalin (abbrechend, Stuhlrücken): Ohne das Polit-Büro kann ich gar nichts dazu sagen. Sie – bleiben doch noch in Moskau?
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Vlacek: Das war Dienstag, 19. August 1947. Am 28. sollten die Außenminister in Paris zusammenkommen. Über diese Zwischenzeit schrieb John
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