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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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frei!“
    „Wirklich? Ach sieh doch! Da hätte ich dich also, wie der Fischer in „Tausendundeine Nacht“ den Geist in der Flasche mit dem Siegel Salomonis. Da könnte ich vielleicht ein mächtiger Zauberer werden? Aber, liebe Wolke, solche Märchen glaube ich nicht. Und wenn ich einen Augenblick daran glauben könnte, so dürfte ich dich doch erst recht nicht frei lassen, denn dann hätte mein glücklicher Fund ja das höchste wissenschaftliche Interesse. Indessen –“
    Es fiel ihm ein, daß dies doch nicht so fortgehen könne. Er mußte wenigstens morgen früh konstatieren können, daß er diesen ganzen logischen Gedankenbau nur geträumt habe. Er dachte wieder an Weras Phantasien. Gewiß, wenn er träumte, so würde das alles, was ihm jetzt so klar durch den Kopf ging, morgen als schönster Unsinn erkannt werden. Wenn er jetzt aufstände und sich ankleidete, dann müßte er doch morgen merken, ob er das auch nur geträumt habe.
    „Warum sprichst du nicht weiter?“ fragte Aspira.
    „Ich habe mir überlegt“, sagte Sohm, „wenn du wirklich eine Wolkenprinzessin bist, so erfordert die Höflichkeit, daß ich deiner Flasche einen bevorzugten Platz anweise, und dazu muß ich doch erst etwas Toilette machen.“
    Er drehte das Licht an und tat wie gesagt. Dazwischen fragte er:
    „Wo war es eigentlich, wo ich dich einfing?“
    Er glaubte nun, da er das Gefühl hatte, ganz munter zu sein, es werde keine Antwort mehr erfolgen. Aber es klang ganz deutlich aus dem Kasten:
    „Am obern Rande des Gletschers, wo der schwarze Felsblock hervorragt.“
    Sohm wußte nicht mehr, was er denken sollte. Doch er sammelte sich. Dort hatte er nur eine Probe entnommen. Es war sein höchster Punkt gestern, 3024 Meter. Die Flasche mußte leicht zu finden sein. Er öffnete die Kiste und erkannte sogleich die mit der Meereshöhe bezeichnete Flasche.
    Er hielt sie gegen das Licht, natürlich ohne irgend etwas Besonderes sehen zu können. Aber fast wäre sie ihm aus der Hand geglitten, so schrak er zusammen, als deutlich, obwohl leise, dicht vor seinem Gesicht die Stimme erklang:
    „Ja, ich bin es, laß mich heraus!“
    Er schloß die Flasche in das Schreibpult, setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände.
    „Du machst mich noch wahnsinnig!“ rief er verzweifelt. „Es ist doch unmöglich! Wie kann eine Wolke solche verteufelt schlau geordnete Vorstellungen haben? Wie kannst du überhaupt reden!“
    „Weißt du etwa“, tönte es aus dem Schreibtisch, „wie dein Bewußtsein mit deinem Körper verknüpft ist? Wie soll ich es wissen? Und das sagte ich dir doch, das Organ, wodurch ich mich dir verständlich mache, ist dein eignes Gehirn. Vermöge meines Zentralorgans löse ich in dem deinen zentrale Reize aus. Du glaubst zu hören, wie du im Traume den redenden Freund hörst –“
    „Also endlich! Gott sei Dank! So träume ich doch!“
    „Nein, nein! Der Anlaß des scheinbaren Traums ist objektiv. Ich bin hier, das Wolkenherz! Gedenke der Schätze!“
    „Still! Still! Ich habe wirklich andere Sorgen – ich muß Ruhe haben.“
    Er legte sich wieder zu Bett. Aber Aspira ruhte nicht. Sie begann aufs neue:
    „Wenn du keine Schätze willst – ich kann mehr geben. Erinnerst du dich, was du mit Wera Lentius von den Elementargeistern gesprochen hast?“
    „Wera? Was? Wie kommst du dazu? Ach – das kannst du nicht wissen. Also habe ich jetzt den strengen Beweis, daß ich nur träume. Das stammt alles aus mir selbst.“
    „Weißt du, wo Wera ist?“
    „Nein!“
    „Aber ich weiß es. Willst du mich freilassen, wenn ich dir verspreche, sie morgen herzuführen? Morgen früh sollst du sie wieder haben.“
    „Laß mich! Laß mich! Ich will wach sein.“
    „Und ich muß hinaus. Wenn es nicht anders geht, so mußt du das Schreckliche vernehmen! Weißt du wo Wera ist?“
    „Um Gottes willen! Das wird ein Angsttraum!“
    „Wenn du mich nicht frei läßt, ist sie verloren! Wera liegt draußen in der Gletscherspalte. Nur ich weiß den Ort. Nur ich kann sie retten! Aber nur, wenn ich mein ganzes Herz wieder habe!“
    Sohm stieß einen Schrei aus und schlug mit den Armen um sich.
    „Eile, eile, Paul Sohm! Weras Leben ruht in dieser Flasche!“
    „Wahnsinn!“ schrie er. Er raffte sich auf und nahm aus seiner Reiseapotheke ein Pulver. Er tat es in Wasser und trank es aus. Noch einmal hörte er Aspira rufen. Dann wirkte das Pulver. Die Stimme verschwamm undeutlich. Er hörte nichts mehr. Er schlief wirklich.



 
Othmar

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