Science Fiction Almanach 1983
Seite zu drehen – den Schläuchen, die aus den Maschinen kamen und irgendwo unter dem Laken endeten. Er erreichte sie nicht. Als er den Kopf wandte, liefen salzige Schweißperlen von der Stirn herab in sein rechtes Auge.
Die Tatsache, daß sich sein rechter Arm nicht dort befand, wo er sich hätte befinden müssen, schockierte Robinson. Zum erstenmal schüttelte ihn eine wilde Angst. Er wagte nicht, den anderen auszuprobieren, aus Furcht, ihm könnte eine ähnliche Offenbarung nicht erspart bleiben. Er hätte es nie für möglich gehalten, welche Kraftanstrengung es bedeutete, ohne Hilfe von Armen und Beinen den Kopf und den Oberkörper zu heben.
Aber er gab nicht auf.
Er kämpfte einen stummen, verbissenen Kampf und mußte das Auge wegen der allzu großen Schweißabsonderung der Stirn schließen.
Dennoch gelang es ihm, ein halbes Dutzend der ihn mit Nährlösungen versorgenden Plastikschläuche mit den Zähnen zu packen und herauszureißen.
Robinson ruderte das Korakel allein. Er war ein großer, narbenbedeckter Mann in der Blüte seiner Jahre, einsneunzig groß, fünfundachtzig Kilo schwer und mit Muskeln ausgestattet, die ein Paddel stundenlang ohne zu ermüden ins Wasser tauchen konnten. Er erinnerte sich an eine kleine Insel, die er vor kurzem verlassen und die in ihm den Eindruck hervorgerufen hatte, er könne sich auf ihr heimisch fühlen.
Aber der Große Strom lockte ihn, zog ihn an mit magnetischer Kraft. Das Rauschen der Wassermassen nahm jetzt von Minute zu Minute an Intensität zu, und Robinson wußte plötzlich, daß er seinem Ziel immer näher kam: dem Großen Wasserfall, der das kleine Korakel packen, über die Gischt hinausschleudern und ihn dort absetzen würde, wo er endlich seinen Frieden fand.
Thomas Ziegler Die große Verknollung
Der Gedanke, in die Friedensbewegung einzusteigen und den schamlosen Apologeten des militärisch-industriellen Komplexes tüchtig in den Arsch zu treten, kam Alf zum erstenmal an dem ersten grauen Septembermorgen des neuen, frischen Jahrtausends – zufällig also an dem gleichen Tag, an dem zehn Milligramm der denkwürdigen Spore KMK-37 Professor Onnedeckers Nylonsockenhalter verklebten und so bedauerlicherweise die strengstens gesicherten genetischen Laboratorien der Rayer-Chemie verließen. Auslöser für Alfs gescheiten Einfall waren Erikas abnorm große Brüste, an denen er kurz nach dem Aufwachen zu saugen begonnen hatte, und ihr verschlafenes: „Tu’s, Alfie. Jesus, wie die das mögen!“
Was mach’ ich eigentlich hier, fragte sich Alf irritiert und besah unschlüssig Erikas aufgerichtete Nippel. Kann mir einer vielleicht sagen, was ich hier überhaupt treibe? Vor allem jetzt, wo schon wieder eine dieser raffinierten Cruise Missiles die gottverdammten subterrestrischen Förderbänder in Wyoming verläßt? Herr im Himmel, was für eine Schande!
* * * Natürlich wußte er noch nichts von Onnedeckers tragischem Mißgeschick und der sich anschließenden Blockade von Heilbronn. Doch wie ihm, so erging es auch den übrigen fünfzig Millionen Bürgern der Republik. * * *
Aber es ist unwahrscheinlich, daß sein Entschluß anders ausgefallen wäre, hätte er davon Kenntnis gehabt.
„Was is’n los?“ murmelte Erika undeutlich und öffnete eines ihrer verquollenen Augen – das rechte, wie Alf sogleich bemerkte. „Was soll’n dieser Scheiß? Entweder ganz oder gar nicht.“
* * * Onnedecker hatte in diesem Moment bereits seinen Dienstwagen bestiegen und dem halbseidenen Chauffeur – einem undurchsichtigen DDR-Flüchtling mit anrüchigen Verbindungen zum Staatssekretär für
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