Science Fiction Almanach 1983
oder Frankreich usw. –, dann hat er es leichter als derjenige, der einen Band rein mit deutschen Stories zu füllen hat. Gewiß, wir haben im deutschen Sprachraum bereits an die sechzig Autoren, bei denen es sich lohnen mag, sie wegen einer Story zu einem bestimmten Thema anzuschreiben. Wen diese Zahl überraschen sollte (klingt sehr viel, nicht wahr?): Ich habe meine Kartei durchforstet. In dieser Zahl sind alle Kurzgeschichten deutscher Sprache enthalten, die innerhalb der letzten vier bis fünf Jahre zumindest drei kurze oder längere SF-Erzählungen veröffentlicht haben. Eine große Anzahl von Autoren also – doch der eine versucht sich gerade an einem Roman; der andere ist für ein halbes Jahr im voraus oder gar noch länger Verpflichtungen eingegangen, aus denen er sich nicht lösen kann oder will; der dritte versucht sich als Übersetzer oder findet dabei sogar Tag für Tag sein Brot, so daß nur wenig Zeit bleibt für anderes; der vierte hat gerade Anwandlungen und findet die SF inzwischen insgesamt Scheiße oder macht nur mal eine kurze schöpferische Pause; und der fünfte bereitet gerade seine Hochzeitsreise vor. Da gibt es viele Gründe für eine Absage, und alle aufzuzählen, wäre müßig: Einige Beispiele mögen genügen.
So manches interessante Anthologienprojekt droht jäh zu scheitern, denn mit einem Mal fehlen die Autoren, die doch gerade noch in solchen Mengen vorhanden zu sein schienen.
Das bis hierhin Gesagte aber gilt natürlich nur für den Fall, daß der Anthologist bereits einen Verlag an der Hand hat, der sich für das Projekt interessiert. Wenig Sinn hat es, ja, es ist geradezu aussichtslos, ins Blaue hinein zu arbeiten und auf gut Glück einen Band zusammenstellen zu wollen. Das hat wenig Chancen, insgesamt gesehen.
Was also soll der Anfänger tun, was muß er beachten?
Und damit bin ich genau an jenem Punkt, wo mich der zu Anfang zitierte Briefeschreiber haben wollte.
Nun denn: Ist es möglich, für die Herausgabe und das Zusammenstellen von Anthologien (vornehmlich deutscher SF, darauf wollen wir uns hier beschränken) gute Ratschläge – vor allem durchführbare Ratschläge – zu geben? Ich will es versuchen, aber ohne Erfolgsgarantie, versteht sich, nicht daß mich jemand anhand der hier aufgeführten Gesichtspunkte regreßpflichtig machen will!
Also:
Lieber junger Briefeschreiber,
Wenn Sie Interesse daran haben, Anthologien zusammenzustellen, dann sollten Sie, meiner Meinung nach, die folgenden Überlegungen beherzigen.
Erstens: Glauben Sie nicht, der Name als Herausgeber auf einem Cover sei gleichbedeutend mit Ruhm und Ehre innerhalb der SF-Szene. Im Vergleich zu Mühe und Ärger, die Sie sich automatisch einhandeln, wenn Sie in das Anthologiengeschäft einsteigen, ist diese Anerkennung minimal. Es ist keinesfalls so, daß jeder Herausgeber auf Kosten der am Sammelband beteiligten Autoren wie die sprichwörtliche Made im Speck lebt und vom Können seiner Autoren profitiert.
Zweitens: Ehe Sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen, verschaffen Sie sich zunächst einmal einen seriösen Überblick über die Marktsituation. Das ist schwieriger, als es sich jetzt hier liest. Es gibt heute bereits einen Haufen Bücher, die glatt an den Interessen und Bedürfnissen des Lesers vorbeiproduziert wurden, so daß Sie nur dann eine wirkliche Chance haben, wenn Sie eine sogenannte Marktlücke entdecken. Zur Marktübersicht gehört aber auch, daß Sie all jene Verlage herausfinden, die möglicherweise ernsthaft an dem von Ihnen angestrebten Projekt interessiert sein könnten (vielleicht gibt es ja nur einen einzigen, wer weiß). Das aber
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