Science Fiction Almanach 1983
bedeutet, daß Sie schon recht genau wissen müssen, was für ein Buch Sie da in die Welt setzen wollen – das erleichtert die Verkaufsverhandlungen.
Drittens: Beginnen Sie nie mit der eigentlichen Zusammenstellung der Anthologie, ehe Sie nicht einen Verlag dafür an der Hand haben. Dieser Grundsatz kann gar nicht oft genug wiederholt werden. Sie können nicht an die Autoren herantreten und sie für Ihr Projekt „einkaufen“, ohne ihnen bereits verbindliche Zusagen zu machen. Niemand außer krassen Anfängern läßt sich bei der derzeitigen Marktlage auf ein solches Unterfangen ein – außer vielleicht Ihr bester Freund oder die Freundin Ihrer Freundin, weil diese Sie besonders toll findet – das aber ändert sich schnell in dem Augenblick, in dem Sie den Band dann nicht loswerden.
Viertens: Autoren wollen pfleglich behandelt werden. Der richtige – will sagen: der geborene – Anthologist ist Freund, Hebamme, Kritiker (aber wohlwollender), Lektor, Korrektor, Ideenlieferant, Schmeichler, Verführer, Vater und Mutter in einer Person. Wenn Ihnen das übertrieben erscheint, dann kann ich Ihnen versichern, daß da noch einiges fehlt; ergänzen Sie nach Gutdünken oder Phantasie.
Merke: Die Art, wie Sie einen Autor becircen, gerade Ihnen seine Story zu überlassen, verfängt beim anderen ganz gewiß nicht. Autoren wollen individuell behandelt werden. Sie müssen liebevoll auf sie eingehen, ruhig auch einmal seiner Eitelkeit schmeicheln (und welcher Autor wäre nicht eitel?), auch wenn die letzte Erzählung in Ihren Augen absoluter Mist war – das ist weitgehend eine Geschmacksfrage, der nächste Herausgeber findet vielleicht gerade diese Story ausgezeichnet.
Fünftens: Zu beachten ist, daß natürlich auch Lektoren und Redakteure in den Verlagen Menschen und daher eitel sind. Stellen Sie nie in Abrede, daß natürlich auch und gerade sie das legitime Recht haben, selbst Anthologien herauszugeben, auch wenn dadurch Ihre eigenen Chancen, endlich einmal einen Band herauszubringen, arg geschmälert werden.
Sechstens: Sich für längere Zeit oder gar auf Dauer (was immer man darunter verstehen mag) auf dem Markt zu etablieren, verlangt ebenso große Anstrengungen wie das Bestreben, einen Handwerksbetrieb oder ein Butter-Eier-Käse-Geschäft in die Gewinnzone zu führen und dort zu behaupten. Möglicherweise gelingt es Ihnen verhältnismäßig schnell, eine erste Anthologie unterzubringen. Doch erst dann, wenn es um das zweite, dritte oder vierte Projekt geht, wird es sich erweisen, wie groß Ihr Beharrungsvermögen, Ihre Begabung und Ihr Wissen im Fachgebiet sind. Subtile Hartnäckigkeit und profunde Kenntnisse gepaart mit guter Menschenkenntnis sind allemal noch die besten Voraussetzungen.
Siebtens und letztens: Gehen Sie nicht davon aus, daß Sie durch die Herausgabe von Anthologien große Reichtümer ansammeln können. Die Vorstellungen, was dabei zu verdienen sei, übersteigen um ein Vielfaches das, was realistisch genannt werden kann. Die Mühe, einen solchen Band zu gestalten, wird durch das Honorar im allgemeinen kaum abgegolten, es handelt sich dabei eher um eine Anerkennungsgebühr, mehr nicht. Doch das sollte Ihnen genügen, schließlich macht das Zusammenstellen eines solchen Bandes auch Spaß. Und letztendlich liegt es ja auch bei Ihnen, ob und wie Sie Ihre weitere Zukunft als Herausgeber oder vielleicht als Autor von Erzählungen bzw. Sachartikeln oder aber als Rezensent gestalten werden. Einen Einstieg haben Sie nun, machen Sie mehr daraus!
Sieben Punkte, die unter Umständen auch nicht mehr Wert besitzen, als wenn ich Ihnen nichts gesagt
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