Science Fiction Almanach 1983
Wahrnehmung und schließlich sogar das Unterscheidungsvermögen für Farbnuancen.
Die furchtbaren Existenzkämpfe der Folgezeit hatte er nur durch unwahrscheinliche Zufälle überlebt. Und daß er noch nicht gestorben war, sondern inzwischen ein gewiß methusalemisches Alter erreicht hatte, schrieb er der Wirkung irgend eines infamen Giftes zu, das ausgerechnet seinem Stoffwechsel keine Ruhe gönnte.
„Ich bin nicht eigentlich blind“, setzte er seine Gedanken laut fort, „nur, nachdem unsere Umgebung von der Seuche dieses monotonen Glutschimmels überwachsen wurde, kann ich keine Unterschiede mehr erkennen, sondern nur noch einen höllisch schmerzenden Glast bei Tage und einen sanfteren Grauschleier bei Nacht. Im blendenden Weiß verschwinden alle Farben.“
Lichtklinge neben ihm sprang auf. „Keine Farben! Hier gibt es keine Farben! Mann, du bist wirklich vollkommen blind! Die Wüste ist bunt, du blinder Dummkopf! Ich kann dir von diesem Ort aus allein zweihundert Farben zeigen; und ich kenne noch Tausende von Tönungen, für die ich keinen Namen weiß.“ Empörung und Unverständnis verschlugen ihm für längere Zeit die Sprache, dann beschrieb er mit eindringlichen Worten: „Die Talfläche von hier bis drüben zur Steilwand ist seimisch getönt und auf ihren leichten Hebungen zinkbereift, die leichten Senken spielen in schwaches Bramen hinüber.
Drüben die steile Fluh ist ungewöhnlich glatt und von spamischem Klar, durchbrochen von den gleichmäßigen Reihen luftfester und lichtspiegelnder Geblendscheiben, die im drauf fallenden Sonnenlicht hartgrell strahlen. Wenn das Sonnenlicht sie nicht mehr erreicht, dunkeln sie preulgrau. Wenn du nicht siehst, wie schön dieser Ort ist, Alter, dann leidest du zu Recht!“
Der Alte war weniger von der Grausamkeit des Vorwurfs betroffen als vom Pathos der Beschreibung, von der sonderbaren ungeahnten Sensibilität, die sich in ihr ausdrückte. Bisher hatte er immer angenommen, das Gemüt dieses grausamen Jägers, von dessen Gnade und Laune er abhing, sei von derselben unbarmherzigen Monotonie wie die Grelle seiner heimischen Umgebung.
Du hättest die Welt früher sehen sollen, vor der Katastrophe des Glutschimmels oder noch früher in einer Zeit, die nicht einmal ich kennengelernt habe, ihre Schönheit hätte dich betäuben müssen.“
Lichtklinge schnaufte zischend, dann erhob er sich, ging ein paar Schritte von der Mauer fort und blieb stehen. „Was ist mit dieser Oase?“ fragte er schließlich langsam.
„Eine Legende“, seufzte Stoh, „in der Hölle gibt es keine Oasen.“
„Aber man spricht von ihr, alle Alten Leute haben von ihr gesprochen, viele sind hingepilgert trotz ihrer Blindheit, aber nie ist einer wiedergekommen.“
„Nie ist einer angekommen“, entgegnete der Alte bitter. „Selbst wenn es sie gäbe, wäre sie unerreichbar für einen Blinden. Für mich ist sie eine Legende, ob es sie gibt oder nicht.“
Der Jäger entfernte sich mit der Armee seiner Echos.
Am nächsten Morgen faßte Lichtklinge den Alten am Arm und richtete ihn auf.
Stoh zuckte zusammen. Die Berührung überraschte ihn wie jemanden, der zum ersten Male mit Grauen eine Schlange berührt und entdeckt, daß sie trocken und nicht schleimig ist, wie ihre Bewegungen vermuten lassen. Lichtklinges Hand war von trockener, nicht von glutflüssiger Hitze, und sie war stark. Der Alte erhob sich widerwillig.
„Du wirst die Oase erreichen“, verkündete der Jäger, „und ich werde sehen, ob du nur aufschneidest und die Vergangenheit verschönerst in deiner Erinnerung wie alle Greise.“
In Stohs schmerzendem Kopf glomm eine vorsichtige Freude auf. „Warum tust du das?“ fragte
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