Science Fiction Almanach 1983
dich entschuldigst, dann redest du unverständlich, Stoh, lange unverständliche Ausreden“, entgegnete Lichtklinge. „Hier, dieser Sinn wird ja noch normal sein.“ Er warf dem Alten einen leichten, scharf duftenden Gegenstand in den Schoß. Stoh tastete hungrig nach dem in der Hitze des Tages gedörrten Fleischstück.
Der junge Jäger ließ sich lautlos an seiner Seite nieder. „Schwer, was für dich zu finden, Stoh, ich meine, was dich nicht krank macht, empfindlicher Greis.“ Seine Stimme hörte sich stark und scharf an und sprach jede Silbe deutlich klingend, selbst wenn er dem Alten nur gleichgültige Satzstücke hinwarf, so wie er ihm den Fleischfetzen zugeworfen hatte. Der Alte versuchte immer eine Herzlichkeit herauszuhören, die nicht darin lag.
„Du bist empfindlich wie eine Frau, Stoh, ich denke manchmal, du bist ein altes Weib, na egal, aber darum verstehst du die Wüste nicht. Die Frauen verstehen die Wüste auch nicht, und sie verstehen die Männer nicht.“
Der Alte lachte auf und verschluckte fast einen zähen Fleischfetzen. „Das ist die älteste und trivialste Klagerede. Das hat noch jeder Mann gesagt; immerhin, in meiner Jugend sagte man es fast nur noch augenzwinkernd … Aber heute ist es tatsächlich wahr, noch nie ist es so grauenhaft wahr gewesen … An wessen Frau hast du dich denn eben vergriffen?“
„Ich vergreife mich nie“, lachte Lichtklinge, „im Gegenteil, ich kam genau aus dem späten Licht, von der Helle wie ein Feind und griff mir das schönhäutige Wiesel mit sicherer Hand. Anders kriegst du sie nicht, sie sind so schnell, aber sie sehen nicht gut, sie haben alle ein bißchen den blassen Star, aber nicht so stark wie du, das würde es auch zu einfach machen.“
Das Wimmern der Frau war wieder zu vernehmen. Schläge klatschten über den Platz, von allen Seiten kamen die Echos, eine endlose Kette größerer, kleinerer, fernerer, näherer Züchtigungen.
„Klingt, als würden sämtliche Harems der Wüste durchgepeitscht“, amüsierte sich Lichtklinge. „Es war eines von Steinzwingers Wieseln. Der rächt sich lieber an dem Weib als an mir. Finde ich auch klug von ihm.“
„Die Nacht kommt in wenigen Augenblicken“, sagte Stoh, um den maßlosen Stolz seines Beschützers zu dämpfen.
„Du merkst es immer eher als wir“, murmelte der Jäger leise mit einem bösen Unterton in der Stimme, in dem sich die Erwartung der nahenden Wehrlosigkeit spürbar machte.
„Wenn das grelle Weiß in meinen Augen körnig wird, dann ist der Schmerz am größten und ich ertrage ihn nur noch, weil ich weiß, daß bald die Nacht kommt, dann zerfließt das Weiß zu den Rändern hin und meine Gedanken scheinen mit zu zerfließen, dann werde ich sarkastisch“, aber nur für mich allein, du würdest mich nicht verstehen“, ein für ihn selbst unverständlicher Aufschrei unterbrach ihn kurz.“ … So bewahre ich meinen Verstand, durch Dornen, wenn sie eigentlich auch nur mich selbst stechen …“ Hier setzte er wieder ab, doch die Schmerzwelle kam nicht mehr mit ihren zahllosen Nadelstichen, sondern ein gleichmäßiges, linkes Licht war plötzlich in seinen blinden Augen, mild wie der Schatten, den im Sommer eine Haus wand warf, wie er sich aus seiner Jugend erinnern konnte.
Dann kam die Nacht wie ein Kälteschauer, sein Schmerz vereiste, und in sein Bewußtsein drangen ununterbrochene Gedanken, durchsichtig und klar wie Eisblumen.
„In grauer Vorzeit“, fuhr Stoh jetzt mit leiser gleichmäßiger Stimme fort, „in einer weniger grauenhaften Zeit als dieser, war Blindheit eine Gabe der Denker, die ungestört durch die Unzahl sichtbarer Eindrücke unbeirrter denken konnten. Man nannte sie Seher, der Klarheit ihrer Gedanken wegen, die anderen die Augen öffneten. Und weil das so gut klingt, ist es
Weitere Kostenlose Bücher