Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
hatte es, nicht nötig, Befehle zu brüllen; von allen Seiten eilte das Volk auf die Rebellin zu.
Bereits von ihrer Tat entsetzt, wußte Weena, daß sie keine Gnade erwarten konnte. Und doch war das Leben süß, selbst so, wie es der Stamm lebte. Als sie auf dem grauen, schwammigen Boden des Platzes der Zusammenkunft einen Halt gewann, sprang sie. Der Schwung ihres Sprunges trug sie bis zur Tür, durch welche das Licht vom Innerhalb strömte. Die dortige Wache war unbewaffnet, denn von welchem Nutzen wäre ein kümmerlicher Speer gegen die Riesen? Er wich vor Weenas blanker Klinge und ihren gefletschten Zähnen zurück. Und dann war Weena im Innerhalb.
Sie konnte, wußte sie, den Durchgang endlos lange gegen jede Verfolgung halten. Aber dies war Riesenland. In einer Qual der Unentschlossenheit klammerte sie sich mit einer Hand an den Rand des Durchgangs, während die andere noch immer den Speer hielt. Ein Gesicht erschien in der Öffnung und verschwand dann, blutüberströmt. Erst später wurde ihr klar, daß es Skreers Gesicht gewesen war. Sie wurde sich eindringlich des heilen Lichts bewußt, das ringsum und über ihr pulsierte, der weiten Räume zu allen Seiten eines Körpers, der an die Enge der Höhlen und Tunnels gewöhnt war. Sie fühlte sich nackt und trotz ihres Speeres völlig wehrlos.
Dann kam das, was sie fürchtete, auf sie zu.
Hinter sich spürte sie das Nahen zweier Riesen. Dann konnte sie ihr Atmen hören und das leise, unendlich bedrohliche Poltern ihrer Stimmen, als sie einer mit dem anderen sprachen. Sie hatten sie nicht gesehen – dessen war sie sicher, aber es war nur eine Sache von Herzschlägen, bis sie dies taten. Der offene Durchlaß mit der Gewißheit des Todes, die dahinter lag, schien dem Schrecken des Unbekannten unendlich vorzuziehen zu sein. Hätte nur ihr Leben auf dem Spiel gestanden, wäre sie zurückgekehrt, um sich dem gerechten Zorn ihres Häuptlings, ihres Partners und ihres Stammes zu stellen.
Sie kämpfte ihre blinde Panik nieder, zwang sich zu einer Gedankenklarheit, die ihrer Natur normalerweise fremd war. Wenn sie dem Instinkt nachgab, wenn sie wie von Sinnen vor den nahenden Riesen floh, würde sie gesehen werden. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, völlig regungslos zu bleiben. Skreer und andere von den Männern, die auf Streifzügen im Innerhalb gewesen waren, hatten ihr gesagt, daß die Riesen, durch ihre Größe und Stärke sorglos, das Volk meistens nicht bemerkte, wenn man keine verräterische Bewegung machte.
Die Riesen waren sehr nahe.
Langsam, vorsichtig, drehte sie den Kopf.
Sie konnte sie jetzt sehen, zwei gewaltige Gestalten, die
mit unbekümmerter Arroganz durch die Luft schwebten. Sie hatten sie nicht gesehen, und sie wußte, daß sie sie nicht sehen würden, wenn sie keine plötzliche Bewegung machte, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch war es schwer, dem Impuls nicht nachzugeben, in den Durchgang zum Platz der Zusammenkunft zurückzustürzen, um dort dem sicheren Tod durch die Hände der empörten Stammesgefährten zu begegnen. Es war noch schwerer, den Drang zu bekämpfen, den Halt am Rand des Durchlasses aufzugeben und in schreiender Panik zu fliehen – irgendwohin.
Aber sie hielt durch.
Die Riesen gingen vorbei.
Das dumpfe Rumpeln ihrer Stimmen erstarb in der Ferne, ihr bitterer, unangenehmer Geruch, von dem sie gehört, den sie jedoch nie zuvor gerochen hatte, ließ nach. Weena wagte wieder, den Kopf zu heben.
In dem verwirrten, entsetzten Tumult ihrer Gedanken stach eine Vorstellung mit furchtbarer Klarheit hervor. Ihre einzige Hoffnung zu überleben, so erbärmlich gering sie auch war, lag darin, den Riesen zu folgen. Es gab keine Zeit zu verlieren, schon konnte sie den zunehmenden Stimmenlärm hören, als jene in den Höhlen spürten, daß die Riesen passiert hatten. Sie gab ihren Halt an der Durchlaßkante auf und schwebte langsam nach oben.
Als Weenas Kopf in plötzlichen Kontakt mit etwas Hartem kam, schrie sie. Lange Sekunden hindurch wartete sie, die Augen vor Entsetzen fest geschlossen, auf den Untergang, der gewiß auf sie herunterkommen würde. Aber nichts geschah. Der Druck auf die Oberseite ihres Schädels nahm weder zu noch ab.
Furchtsam öffnete sie die Augen.
Soweit sie sehen konnte, erstreckte sich in beide Richtungen eine lange, gerade Stange oder ein Stab. Dieses Ding war von der Dicke ihres Körpers, und es war aus einem der Mutter nicht völlig fremden Material gemacht oder damit bedeckt. Es war wie die von
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