Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
genau unterhalb des Turmes. Der schwarze Wagen hielt seitlich davor mit einem leichten Zischen der komprimierten Luft der Bremsen.
„Da sind wir.“
Der Beamte auf dem Rücksitz des Autos öffnete augenblicklich die Tür und stieg nach draußen, wobei er den Koffer hinter sich herzog. Sein Gefangener folgte ihm, schloß die Tür, worauf das Fahrzeug nahezu geräuschlos davonglitt.
„Wie Sie sehen“, sagte der Mann in der grünen Uniform. Er deutete in Richtung des Rasens und der fernen Mauern. „Dort ist die Mauer und das Tor und ein Raum dazwischen, in dem Sie ganz bestimmt von der Wache gesehen werden. Außerdem gibt es noch Tausende anderer Schutzmaßnahmen, von denen Sie offensichtlich nichts wissen. Ich sage Ihnen das, weil dies hier vorläufig Ihr Zuhause ist, bis die Umstände sich geändert haben. Lassen Sie sich nicht von der Ungeduld Ihre klaren Gedanken nehmen, wie das schon mit anderen geschehen ist. Es hat keinen Zweck, wegzulaufen, wenn man kein Ziel hat, zu dem man fliehen kann.“
„Danke“, entgegnete der andere. „Ich werde nicht weglaufen, bevor ich Gründe dazu habe, und ich glaube, dann weiß ich, wohin ich zu gehen habe.“
Der Beamte maß ihn mit einem durchdringenden Blick. Eine durchschnittliche Erscheinung, dachte er, ein wenig unter dem Größendurchschnitt des Imperiums, schlank, dunkel, in den Dreißigern und recht gut aussehend. Aber er besitzt die Anmaßung der Jugend. Bei näherer Betrachtung erweist er sich vielleicht als wichtigtuerisch und irreführend.
Er seufzte angesichts seiner bösen Ahnungen. Zu dumm, daß sie nicht jemanden gefangen hatten, der ein gutes Stück älter war. „Harumpf!“ sagte er ohne ersichtlichen Grund.
Er schritt auf das Tor zu, der andere folgte ihm. Das Tor öffnete sich aus eigenem Antrieb, das Paar betrat eine große Halle, wo sie von einem anderen Beamten in Lindgrün in Empfang genommen wurden.
„Ein Subjekt von einer neuen Welt“, sagte die Eskorte. „Zur weiteren Beobachtung.“
Der zweite Beamte starrte neugierig auf den Neuankömmling, schniefte geringschätzig und sagte: „Okay – Sie wissen, was Sie mit ihm zu machen haben.“
Ihr Ziel entpuppte sich als ein großer Untersuchungsraum am Ende des marmornen Korridors. Dort händigte der Beamte den Koffer einem weißgekleideten Mann aus und verschwand ohne weitere Erklärung. Es waren sieben Männer und eine Frau in dem Raum, alle in Weiß gekleidet.
Sie maßen das Subjekt mit berechnenden Blicken, schließlich fragte die Frau: „Sie haben unsere Sprache gelernt?“
„Ja.“
„Sehr gut. Dann entkleiden Sie sich bitte. Legen Sie alle Ihre Kleider ab.“
„Nur ungern!“ sagte das Opfer mit leiser Stimme.
Die Frau wechselte ihren Ausdruck nicht. Sie beugte sich über ein offizielles Formular, das auf ihrem Pult lag, und schrieb mit zierlicher Handschrift in ein freies Feld: Sexuelles Verhalten normal. Dann ging sie hinaus.
Nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, zog er sich aus. Die sieben begannen mit ihrer Arbeit, und füllten das Formular weiter aus, während sie fortfuhren. Sie erfüllten ihre Aufgabe schweigend, methodisch, mit allen Anzeichen althergebrachter Routine. Größe: Vier Punkte und zwei Strich Einheiten. Gewicht: Siebenundsiebzig Migrads, Haar: Typ S, vorneliegende Einbuchtungen. Keine Weisheitszähne. Alle Finger zweigelenkig. Jede Beobachtung wurde zur Kenntnis genommen, als wäre sie vollkommen normal, und unverzüglich in das Formular eingetragen. Augenscheinlich war es ihre Art, sich mit allen persönlichen Eigenschaften näher zu befassen, die von der, nach welchen Gesichtspunkten auch immer, erstellten Imperiumsnorm abwichen. Sie röntgten seinen Schädel, seine Kehle, Brust und Unterleib, von vorn, hinten und beiden Seiten gleichzeitig, und notierten pflichtbewußt, daß sich etwas, das kein Blinddarm war, an der Stelle befand, wo sein Blinddarm hätte sein sollen. Dann folgten die Einzelheiten, ohne Ausnahme. Membranüberzogener Kehlkopf. Optischer Astigmatismus: rechtes Auge vier Punkte, linkes Auge sieben Punkte. Lappenförmige Verbindung in der Kehle anstelle der Mandeln. Gekerbte Ohrläppchen. Gehirnwindungen tief und komplex. „Zufrieden?“ fragte er, als sie endlich von ihm abließen. „Sie können sich wieder anziehen.“
Der Vorgesetzte der sieben studierte das Blatt gedankenverloren. Er betrachtete das Subjekt, das sich anzog, nahm die vorsichtige, bedächtige Art, mit der die Kleidungsstücke eines nach dem anderen wieder
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