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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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Jahresuntersuchungen bestätigt hatte. Und seine Eltern führten mit ihm den Lebensstandard, der ihnen als angesehenen Spezialisten in dieser Gesellschaft zukam, fernab von den Knauserern, den Asozialen und den Arbeitsscheuen.
    So stand er unschlüssig vor der Haustür, als ihn der Handelsvertreter ansprach. Vertreter wurden durch ein Gesetz angewiesen, ihren Beruf durch eine Butterblume im Knopfloch auszuweisen; wenn dieser statt einer Imitation aus Kunststoff eine sündhaft teure Naturblüte trug, dann kennzeichnete ihn das bereits als Könner, der entweder sehr erfolgreich war, oder aber einem weltumspannenden Konzern für Luxusartikel angehörte, der nur die besten Leute beschäftigte.
    Natürlich war er verkaufspsychologisch viel zu gut geschult, um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Und außerdem mußte er erst herausfinden, ob sein potentieller Kunde bereits das geschäftsfähige Alter von zehn Jahren besaß. Gigger war elf, aber er war etwas klein für sein Alter.
    Der Vertreter stieß wie gedankenverloren mit dem Fuß gegen einen verrosteten Flaschendeckel, heulte plötzlich auf und humpelte stöhnend und wimmernd auf einem Bein über den Bürgersteig, als sei ihm eine Dampfwalze über den Fuß gefahren.
    »Ach du lieber du mein Vater«, seufzte er und quetschte einige gekonnte Krokodilstränen aus seinem linken Auge. »Hätt’ ich doch lieber Kaysers Fixo-Schmerzlos-Tabletten eingenommen; die in der blauen Packung zu DM 129,50, dann müßte ich jetzt nicht diese wahnsinnigen Schmerzen aushalten!«
    Geschickt hatte er aus einer winzigen Blechtube einen Klecks blutroter Farbe über die aus seiner Sandale hervorschauende Sockenspitze geträufelt und sah nun tatsächlich wie ein Schwerverletzter aus. Gigger staunte ihn an, obwohl er den Trick gleich durchschaut hatte.
    »Donnerwetter«, sagte er. »Knallharte Leistung! Sie verdienen wahrhaftig, daß ich Ihnen was abkaufe. Lassen Sie Ihre Kollektion mal sehen.«
    Der Vertreter war gar nicht beleidigt und öffnete flugs sein Köfferchen. Nachdem Gigger zwölf Dutzend Packungen Fixo-Schmerzlos-Tabletten in allen möglichen Farben ausgewählt hatte (nur nicht die blauen, die ihm der Vertreter angepriesen hatte, denn die waren längst aus der Mode), wollte er wie üblich einen Teilzahlungsvertrag unterschreiben, aber der Vertreter hatte es damit gar nicht so eilig.
    »Wer zahlt denn für Sie?« fragte er gedehnt. Es war durchaus üblich, geschäftsfähige Kinder wie Erwachsene anzureden und zu behandeln.
    »Ich bin bei meinen Urenkeln. Bei staatlich garantierter Vollbeschäftigung bis über das Jahr 3000 hinaus …«
    »Tut mir leid«, unterbrach ihn der Vertreter und nahm ihm die Pillen-Packungen wieder aus der Hand, stopfte sie in sein Köfferchen und sperrte es zu. »Ich kann dir nichts verkaufen.«
    »Aber bei 52 Stunden in der Woche macht das bei durchschnittlich zwei Kindern …«
    »Hör auf mit den Phrasen. Ich mache keine Geschäfte mit Leuten, die schon bei den Urenkeln angelangt sind. Ich bin Mitglied der Aktion 500 000 Stunden, falls du davon schon einmal gehört hast.«
    »Eine Art Club?« fragte Gigger zaghaft, der die ganze Zeit überlegte, welche neue und ihm noch unbekannte Verkaufspsychologie hier angewendet wurde. »Muß ich in Ihren Club eintreten, bevor wir ein Geschäft abschließen?«
    »Hör mal, Kleiner. In diesen Club kannst du gewiß nicht eintreten und niemand will dich dort haben. Es ist ganz einfach so, daß ich auf den Verkauf an dich verzichte, weil du zu hoch verschuldet bist. Kapiert?«
    Da im gleichen Moment der überfällige Schulbus an der Straßenkreuzung auftauchte, ließ es Gigger bei dieser Auskunft bewenden und lief grußlos davon.
    »Heeeeeh – ein Asozialer!«
    Wermser beschleunigte seine Schritte, als er den haßerfüllten Ruf hinter sich hörte. Er wußte, was sich jetzt abspielen würde. Er riskierte einen Blick über die Schultern und sah ein halbes Dutzend Halbwüchsiger, die, nach dem letzten Schrei der Mode gekleidet, mit lilagefärbten Haaren vor dem Bahnhofseingang herumlungerten, sich jetzt aber zusammenrotteten und ihm folgten. Im hellen Licht der Sonne sah er ihre leuchtroten Fingernägel grell aufblitzen; er sah die kahlen Schädel der Mädchen, die mit Goldbronze bestrichen waren und hörte ihr belustigtes Kichern. Sie schlossen sich den Halbwüchsigen an.
    Er war nicht schnell genug. Irgend jemand rempelte ihn von hinten an und brachte ihn zu Fall. Mühsam erhob er sich wieder von der Erde und starrte

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