Science Fiction Jahrbuch 1983
solltest du immerhin wissen, daß wir beide in den zurückliegenden vier Jahren Geliebte waren.“
Sie lächelte. „Das überrascht mich nicht. Du flirtest schon seit dem Augenblick, als wir uns kennenlernten, immer ein wenig mit mir herum.“
„Waren wir jemals zusammen im Bett?“
„Natürlich nicht, Ted.“
„Habe ich dich je nackt gesehen?“
„Nur dann, wenn du mir nachspioniert hast.“
Er fragte sich, wie sehr sich diese Judy von seiner unterscheiden mochte. Er ging das Risiko ein und sagte: „Woher weiß ich dann, daß du eine kleine Operationsnarbe auf der linken Brust hast?“
Sie antwortete achselzuckend. „Ich mußte vor Jahren eine gutartige Geschwulst entfernen lassen. Das könnte Celia dir erzählt haben.“
„Würde ich dann auch wissen, an welcher Brust?“
„Schon möglich.“
„Ich kann dir noch sechs oder sieben andere Merkmale deines Körpers nennen, die nur jemand wissen kann, der sehr vertraut mit ihm ist. Ich kann dir sogar sagen, welches deine bevorzugte Liebesstellung ist und warum. Ich kann die Laute nachahmen, die du beim Höhepunkt von dir gibst.“
„Oh. Wirklich?“
„Hör zu“, sagte er und tat sein Bestes, um den seltsam winselnden Lust sehr ei zu imitieren, den er schon so oft gehört hatte. Judiths verspieltes und herausforderndes Lächeln erlosch. Sie preßte die Lippen zusammen, ihre Augen verengten sich, rote Flecken bedeckten ihre Wangen. Sie sah von ihm weg.
„Keine Sorge, ich habe kein Tonbandgerät unter deinem Bett“, sagte Hilgard. „Ich habe auch nicht mit Ron deine sexuellen Eigenheiten durchgesprochen. Ich würde Ron nicht einmal erkennen, würde er mir auf der Straße begegnen. Und ich lese auch nicht deine Gedanken. Woher also sollte ich all diese Dinge wissen?“
Sie war still. Sie schob wahllos Papiere auf ihrem Schreib tisch hin und her, wobei ihre Hände zu zittern schienen.
„Vielleicht bist du diejenige mit der Dissoziativreaktion“, sagte er. „Du hast unser Techtelmechtel vergessen.“
„Du weißt, daß das Unsinn ist.“
„Du hast recht. Weil die Judith Rose, mit der ich im Bett war, an der Rockefeller University arbeitet. Aber ich war jedenfalls mit einer Judith Rose im Bett, die dir ziemlich ähnlich ist. Bezweifelst du das jetzt noch?“
Sie antwortete nicht. Sie sah ihn nur verblüfft an, und es schien auch noch etwas anderes in ihrem Blick mitzuschwingen, das ihn auf den Gedanken brachte, daß er irgendwie die Barriere zu seiner verlorenen Welt überwunden hatte und zu ihr vorgedrungen war, zu seiner Judith, und vielleicht hatte er in ihr das Simulakrum der Liebe und Leidenschaft erwecken können, das er in ihrer Existenz mit ihr teilte. Plötzlich sah er eine gewagte Phantasie-Nummer vor sich: Er mußte sich von Celia und sie sich von Ron trennen, vielleicht konnten sie dann in dieser unbekannten Welt wieder die Beziehung aufbauen, die ihm genommen worden war. Doch dieser Einfall verschwand ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. Das war närrisch. Es war unmöglich, es war Unsinn.
„Beschreibe mir, was dir widerfahren ist“, bat sie ihn schließlich.
Er erzählte ihr alles mit allen Einzelheiten, an die er sich noch erinnern konnte: das Schwindelgefühl, das Gefühl, durch ein Tor zu gehen, das langsame Entdecken all dessen, was nicht mehr stimmte. „Ich würde gerne glauben, daß es sich um eine Geistesverwirrung handelt und daß sechs Lithiumpillen ausreichen, um alles wieder ins rechte Lot zu rücken. Aber ich glaube nicht mehr daran, daß es so kommen wird. Ich glaube, was mit mir geschehen ist, ist viel mehr als nur eine schizoide Spaltung. Aber das will ich, wie gesagt, nicht glauben. Ich möchte gerne glauben, daß es sich nur um eine Dissoziativreaktion
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