Science Fiction Jahrbuch 1983
helfen. Sie müßten schon vorbeikommen.“ Klick.
Jerry legte wütend auf.
Der Schaukelstuhl und die Pfeife waren am nächsten Morgen verschwunden, aber irgendwie beruhigte Jerry dies überhaupt nicht. Er klopfte vorsichtig an die Tür von 1-Ost und hoffte, daß Gumbo Granny dick vermummt an die Tür kommen und ihm sagen würde, sie sei krank gewesen. Es hätte ihn sogar beruhigt, wenn ihm jemand gesagt hätte, sie sei gestorben. Aber es geschah überhaupt nichts.
Er verbrachte den Tag an seiner Schreibmaschine und arbeitete an einem Auftrag, den er sich vom Herausgeber einer Wochenzeitung aus der Nachbarschaft besorgt hatte. Aber er war nicht in der Lage, viel Enthusiasmus in den Artikel, eine Reportage über den Gyros-Pizza-Krieg der leeren Mägen der Singles von der North Side, zu bringen. Es war einfach eine bescheuerte Geschichte. Wenn es nun aber diese verdammten Nadelmänner tatsächlich gab und er es beweisen, sie entlarven könnte – das wäre eine Geschichte gewesen, die den Aufwand gelohnt hätte. Auf jeden Fall besser als die Story mit den Stollen unter der Loop. Das könnte ihm sogar eine feste Anstellung einbringen. Im ungünstigsten Fall wäre diese Story so gut wie verkauft, noch ehe er sie begonnen hätte.
Jerry schob die Schreibmaschine von sich weg und begann nachzudenken. Er besaß eine elektrische Schreibmaschine, die nun weitersummte, als sei sie gekränkt und wolle ihn zur Arbeit animieren. Er schaltete sie aus.
Dann fand er sein Notizbuch und nahm die Hochbahn nach Evanston, um in der Bücherei der Northwestern zu recherchieren.
Abends kehrte Jerry in einem fieberähnlichen Zustand zurück. Er hatte zwölf Seiten seines Notizbuches mit seiner kleinen, sauberen Schrift gefüllt und war von der ganzen Geschichte so erregt, daß er einfach mit einem Menschen darüber reden mußte, bevor er verrückt wurde. Aber Alan war weggegangen, ohne zu hinterlassen, wann er zurückkommen würde, und Steve hielt sich momentan nicht in der Stadt auf. Harold war in seinem Schlafzimmer, aber die Tür war geschlossen, und als Jerry an ihr lauschte, hörte er gedämpftes Stöhnen und leise klatschende Geräusche. Harold würde es sicherlich nicht gefallen, wenn man ihn jetzt störte. Davon abgesehen machte er Jerry immer noch wegen dieses Alptraums das Leben schwer. Unmöglich, ihm noch mehr Zündstoff zu liefern.
„Verdammt“, sagte er und sah noch einmal in sein Notizbuch. Und dann: „Ach, was soll’s.“ Damit ging er hinunter zum zweiten Stockwerk.
Eine der Mitbewohnerinnen öffnete die Tür, ein rundliches Mädchen mit mausbraunem Haar und schlimmer Akne. „Kris lernt gerade für eine wichtige Klausur“, teilte sie ihm mit, „sie wird nicht gestört werden wollen.“ Sie rümpfte die Nase. „Sie steht ohnehin schon schlecht genug.“
„Vergessen Sie’s“, sagte Jerry, „ich muß mit ihr reden.“ Darauf bestand er so lange, bis er in das Apartment eingelassen wurde. Die andere Mitbewohnerin saß in einer Ecke des dunklen Wohnzimmers und arbeitete unter einer Klemmlampe. Während das dickliche Mädchen Kris holen ging, sah sie ihn unsicher durch eine Brille an, deren Gläser so dick wie die Böden von Colaflaschen waren.
„Hi“, sagte Kris. „Was ist passiert?“
„Ich muß Ihnen etwas erzählen“, sagte er. „Kommen Sie, ich lade Sie zu einem Drink ein.“
Auf der anderen Seite der Sheridan gab es eine kleine Bar, die von den Leuten im Marine Drive in Beschlag genommen war. Es war so ungefähr das einzige Lokal in der Gegend, in dem man weder Country Music hören noch vor Messerstechereien Angst haben mußte. Ein Rausschmeißer verwehrte allen Pennern, Rednecks oder anderen unerwünschten
Weitere Kostenlose Bücher