Science Fiction Jahrbuch 1983
institutionalisierten Wissenschaftsbetriebs zu spüren. An diesen Stellen wird dem Leser klar, daß Benford bei der Beschreibung des Wissenschaftler-Alltags von seinen eigenen Erfahrungen profitieren konnte; schließlich ist Benford selbst Professor der theoretischen Physik an der University of California. Darüber hinaus gewinnt die Darstellung auch dadurch an Authenzität, daß in der Romanhandlung berühmte Wissenschaftler wie Carl Sagan (der übrigens selbst an einem SF-Roman arbeitet), Murray Gell-Mann oder Freeman Dyson auftreten. Benford hat es zudem geschickt verstanden, Elemente der modernen Physik – wie etwa die Vielewelten-Interpretation der Quantentheorie oder die Feynman-Wheelersche Hypothese eines zeitlich vorwärts und eines rückwärts gerichteten Teils von elektromagnetischen Wellen – in die kognitive Struktur des Romans einzubauen. Diese Vorgehens weise macht es auch für einen physikalisch vorgebildeten Leser oft schwierig festzustellen, wo die Science aufhört und die Spekulation beginnt.
Die verdiente Anerkennung für Timescape ist Gregory Benford nicht versagt geblieben, denn Kritik und Leserschaft sind sich einig darüber, daß es sich bei diesem Buch um einen der besten SF-Romane der letzten Jahrzehnte handelt. Norman Spinrad schrieb z.B. zu diesem Roman: „Very likely the best science fiction novel about science yet, it has all the virtues and none of the flaws of ‚hard science fiction’“ Brian Aldiss: „Not since C.P. Snow’s The New Men , many years ago, have we been treated to such a truthful account of scientists at work; never before have scientists worked on a more fascinating problem than the tachyon affair to which Greg Benford treats us.“ Mit Ausnahme des Hugo Awards hat der Roman auch alle wichtigen SF-Preise (wie den Nebula Award und den John W. Campbell Memorial Award ) erhalten. Das deutlichste Indiz dafür, wie sehr der Roman eingeschlagen hat, lieferte aber wohl die Verlagsgruppe Simon & Schuster/Pocket Books: Seit 1981 erscheinen sämtliche SF-Bücher und -Taschenbücher dieser Verlage unter dem Imprint Timescape Books.
Benford, der neben Timescape auch einige andere viel beachtete SF-Romane geschrieben hat (zu nennen wären insbesondere In the Ocean of Night , 1977, deutsch 1980 als Im Meer der Nacht, sowie The Stars In Shroud, 1978), ist nicht der einzige Wissenschaftler, der als SF-Autor hervorgetreten ist, aber er ist sicherlich der profilierteste SF-Schriftsteller unter seinen Wissenschaftlerkollegen. Der bekannteste im SF-Bereich tätige Wissenschaftler dürfte allerdings der Astronom und führende Gravitationsforscher Robert L. Forward sein, der sich 1980 mit dem viel beachteten Roman Dragon ’s Egg (Das Drachenei) auch einen hervorragenden Namen als SF-Autor gemacht hat. Forward beschreibt in diesem Buch das Leben auf einem Neutronenstern, auf dem die 67-milliardenfache Erdschwerkraft herrscht. Obwohl organischchemische Reaktionen auf einer derartigen Extremwelt nicht möglich sind, gibt es auf diesem Stern intelligente Lebewesen, deren „Stoffwechsel“ auf Neutronenreaktionen beruht. Nach einigen Schwierigkeiten gelingt den Menschen die Kontaktaufnahme mit diesen Neutronenwesen. Da aber auf Grund der durch die hohe Gravitation bedingten Zeitdilatation eine Stunde im „normalen“ Universum etwa hundert Jahren auf dem Neutronenstern entspricht, läßt die Neutronenrasse schon nach kurzer Zeit die Menschheit in intellektueller Hinsicht weit hinter sich.
Tony Rothman, ein anderer Physiker, der sich hauptsächlich mit Astrophysik und
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