Science Fiction Jahrbuch 1983
gemeinsamer Nenner vor allem deutsche Texte sind. Die Neue Deutsche Welle, in der die deutsche Sprache somit als Trägermedium von Rock-, Pop-, Punk- oder Schlagermusik neu belebt wird, war im Sinne einer Rückbesinnung und Schaffung einer eigenständigen Kultur schon längst überfällig, und daher ist der große Erfolg auch kaum verwunderlich.
Die Gründe, die zum Hochschäumen der Neuen Deutschen Welle führten, sind vielschichtig und liegen so weit auseinander wie die musikalischen Zielvorstellungen und Intentionen der einzelnen Interpreten. Entscheidend für den Entwicklungsprozeß war der von England ausgehende Punk Rock, der bald von deutschen Bands aufgegriffen und zu einer durchaus eigenständigen Musik weiterentwickelt wurde. Entscheidend war aber auch die elektronische Musik, die bereits in den siebziger Jahren praktisch zum Aushängeschild des „Krautrock“ aus Deutschland wurde. Gerade in der elektronischen Musik tut sich heutzutage unglaublich viel, denn allein schon die moderne Konzeption dieser Musik sorgt dafür, daß der Begriff Science Fiction-Musik fast schon inflationär darauf anwendbar ist. Doch die eigentliche Verschmelzung der Elektronik mit dem „Deutschpunk“ kam viel später. Daher zunächst ein Abriß der „konventionellen“ Klänge – ein Begriff, der keineswegs allgemeingültig oder abwertend sein soll, sondern einfach dazu dient, eine nominelle Unterscheidung treffen zu können.
Die Entwicklungsstationen
Punk – Deutschland – Neue Deutsche Welle
Die Punk-Rock-Bewegung begann in England in einer Zeit wirtschaftlicher Stagnation und großer Jugendarbeitslosigkeit, einem Nährboden, auf dem Sprüche wie „No Future“ wuchsen. Punk Rock – zunächst von den Rundfunkstationen und der internationalen Musikpresse erheblich angefeindet – wurde zum Sprachrohr einer Jugend, die keine Chance auf eine eigene Zukunft sah und sich in sehr düsterer Form mit dieser Zukunft beschäftigte. Musikalische Normen wurden über den Haufen geworfen, die Texte waren aggressiv, mitunter fast nihilistisch. Diese Punk-Rock-Bewegung fand schon Ende der siebziger Jahre auch bei uns ihren Niederschlag mit Gruppen wie Hans-A-Plast, Male, KFC, Geisterfahrer oder der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft. Viele Stücke aus dieser Periode sind auf zwei im Jahre 1979 aufgenommenen Samplern zu finden: I N DIE Z UKUNFT und I NTO THE F UTURE . Auch LPs wie G ERÄUSCHE FÜR DIE 80 ER dokumentieren deutlich, daß man sich mit der nahen Zukunft auseinandersetzte und schon in den zu Ende gehenden Siebzigern die Musik für die achtziger machte.
Kritische Gedanken über die Zukunft standen im Mittelpunkt, und damit war der Boden für eine Ausweitung der SF-Thematik bereitet. Nach vielen angetörnten Weltraumflügen und intergalaktischen Abenteuern in den sechziger und siebziger Jahren war auch in der Musik die SF wieder auf die Erde zurückgekehrt, und gemäß den Zeichen der Zeit trug sie vorwiegend dystopischen Charakter, eine Entwicklung, die später dann, in der elektronischen Musik, noch weitaus tiefgreifender sein sollte.
Als die achtziger Jahre erst einmal angebrochen waren, wechselten die Themen zwar recht drastisch, doch die Skepsis blieb. Die Zukunft war nicht mehr hoffnungslos und düster, sie war schön chromglänzend, blitzsauber und ganz von einer übermächtigen Technologie beherrscht und von sauberen „Lachleuten und Nettmenschen“ bewohnt, die mit ihrem Los zufrieden dahinvegetierten. „Ich will nicht zurück in die Vergangenheit, ich will in der Gegenwart die Zukunft erwarten … Ich hab’ keine Angst vor Technoland …“ sangen
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