Science Fiction Jahrbuch 1983
die kleine Rolle in der Hand hielt. Mein Bruder, mein Bruder lebt noch, dachte sie, und er wird morgen Hiersein. Aber ich habe meinen Vater und meine Mutter und meine Schwestern und Brüder gerächt.
… an ihrer Hüfte kreischte das Schwert.
Nein. Meine Rache ist vollbracht, flüsterte sie, doch das hohe Kreischen schien den gesamten Raum auszufüllen. Gedankenlos hörte sie es durch die Luft schwirren, in sinnlosem Widerstand preßte sie die Hände zusammen.
Der Vogel fiel tot vor ihre Füße, der Kopf vom Körper abgeschlagen, und Mhari, die in Entsetzen auf das Blut des Vogels auf dem Schwert starrte, brach in wildes Weinen aus.
Auf kraftlosen Füßen schwankte sie zur Kapelle, legte das Schwert dort nieder und stolperte dann schnell davon, als fürchte sie, es würde ihr folgen.
Als die Reiter auf der Hügelkuppe erschienen, eine kleine Armee, jeder einzelne mit kampfbereit gezogenem Schwert, hatten die wenigen verbliebenen Diener das Blut von den Pflastersteinen im Hof geschrubbt, und frischer Schnee bedeckte den Boden mit einer glatten, weißen Decke. Mhari rannte ihnen entgegen, als sie Ruyven an ihrer Spitze sah. Er hielt an, sprang von seinem Pferd, riß sie in seine Arme.
„Was ist passiert? Ah, gesegnete Avarra, sind alle fort? Wie bist du lebend entkommen? Sind sie alle tot – Mutter, Vater …?“
Mhari klammerte sich weinend an ihn, stammelte die ganze Geschichte von Invasion, Verrat, Kampf, Mord, Vergewaltigung hervor.
Ruyven weinte, während er zuhörte, wandte dann sein Gesicht grimmig der Brustwehr zu, wo Narthens Kopf hing, flankiert von denen seiner Männer.
„Und du … du, kleine Schwester … du hast sie alle gerächt?“
Sie flüsterte: „Nicht allein. Ich hatte … hatte Hilfe durch die Hexerei … einer unserer entfernten Verwandten …“ Und als er sie hineinführte, erzählte sie ihm stockend die ganze Geschichte.
„Und wo ist das Schwert jetzt, kleine Mhari?“
„Es liegt in der Kapelle“, murmelte sie. „Wieder verborgen wie es war, als ich das erste Mal dorthin ging.“
„Ich habe von dieser Geschichte gehört“, sagte Rafael ruhig. „Einer eurer Ahnen, Ruyven, schloß mit einem Geist namens Chaos einen Pakt zur Rache. Es geht die Legende, daß er, falls jemand vom Blute der Delleray nach Rache schreit, zu dessen Hilfe kommen wird. Das Schwert wurde mit seinem eigenen Blut geschmiedet und gehärtet und schreit nach dem Blut der Feinde seiner Sippe … Doch ich kann mich nicht an den Rest der Geschichte erinnern. Es ist unheimlich, sich mit solcherlei Dingen zu beschäftigen.“
„Oh, es war entsetzlich“, weinte Mhari. „Es hat immer weiter getötet … und weiter … Selbst wenn ich es nicht wollte, als sie alle fort waren …“
„Arme Mhari“, murmelte Rafael und nahm ihre Hand. „Du hast einen furchtbaren Preis bezahlt – und dies nach allem, was du erlitten hast!“ Er zog sie an sich, legte einen Arm um ihre Hüfte und sah Ruyven an.
„Bredu“, sagte er sanft, „du weißt schon lange, daß mir Mhari von allen Frauen die liebste ist, wie du mir der liebste Angehörige bist. Mhari hat jetzt keinen anderen Angehörigen mehr – willst du sie mir zur Ehe geben?“
„Gern“, sagte Ruyven, wobei er seinen Freund und seine Schwester in eine große Umarmung nahm. „Nichts kann meinen Schmerz um meine Verwandten beenden, doch man kann sie nicht vom Tode zurückholen, und so wie ich bin, bin ich Lord von Sain Scarp und Delleray. Und die Hochzeit kann gehalten werden, sobald ihr dies wollt.“
Mhari fragte, vor Scham keuchend: „Du willst … du willst noch nehmen, was Narthen übriggelassen hat? Ich … ich bin von ihm beschmutzt und blutbefleckt …“
„Ah, Mhari“, murmelte Rafael, zog sie an sich und bedeckte ihre Hände mit Küssen, „du bist mir noch
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