Science Fiction Jahrbuch 1983
deshalb an den Inhalten, die transportiert werden, sie seien reaktionär, heißt der Vorwurf.
Die Ursache der Kritik an der PR-Serie liegt wohl tiefer. Vielleicht ist es so, daß jeder Jugendliche eine „reaktionäre“ Phase durchlaufen muß, bevor er „fortschrittlich“ werden kann. Vielleicht gehört es zu den Begleitumständen der geschlechtsspezifischen Sozialisation, daß der Junge die Irritierung durch die andere Frau abwehren muß. Lektüre könnte dann die Verdrängung verhindern, das Problem zur Bearbeitung bewußt halten. Würde es sich so verhalten, dann wäre die Erinnerung an diese Entwicklungsphase, nachdem sie durchlaufen ist, bestimmt äußerst peinlich. Vielleicht ist PR für diejenigen, die diese Serie nicht oder nicht mehr lesen, so etwas wie eine unangenehme Erinnerung an eine vorübergehende Einstellung, die man nicht mehr wahrhaben will. Vielleicht gefährdet die Aktualisierung von PR-Phantasien die mühsam erreichte Zivilisation der Tagträume. Die wütende Bekämpfung der PR-Lektüre ist ein Anzeichen krampfhafter Abwehr von Vorstellungen, die zwar sanktioniert sind, aber dennoch verlockend blieben.
Der Weg von Kurt S. zeigt eine andere Lösung. Er konnte weiterlesen, er mußte den Lesegenuß nicht abbrechen, er mußte ihn sich nicht versagen, weil er durch die Intensität seiner Lektüre zu einem Leser wurde, der sich mit dem Text als Experte beschäftigen konnte, der den Nachvollzug beschränkter Phantasien in ästhetischen Genuß umwandeln konnte. Er identifizierte sich nicht nur mit den Helden, sondern kommunizierte mit den Autoren darüber, wie die Geschichte weitergehen könne, wie sich die Personen verhalten können. In Gedanken schreibt er beim Lesen mit. Der konsumtive Vorgang ist in einen produktiven verwandelt. Er hat es nicht nötig, seine Lektüre zu verheimlichen oder zu verachten.
Was nun die immer vorgezeigten reaktionären Inhalte anbelangt, so fällt auf, daß z.B. im Heft tausend explizit sozialkritische Thesen verkündet werden. Während in den 60er Jahren die verlorenen Urwaldschlachten wenigstens im Weltenraum von den Guten gewonnen wurden, werden jetzt Mißstände angeprangert, PR gegen Rauschgift, Hunger, Folter, Vertreibung! Vermutlich sind jedoch diese „fortschrittlichen“ Inhalte so oberflächlich, wie es die „reaktionären“ waren. Andererseits, Perry Rhodan selbst glich nie Hitler, das kann mit dem Vorwurf „faschistisch“ nicht gemeint sein, Perry Rhodan ist auch nicht „unberechenbar“ wie Strauß, eigentlich ist er kühl, berechnend, verläßlich, selbstbewußt, handlungsfähig wie Helmut Schmidt.
Anmerkung zur Entstehung des Textes
In der abschließenden Besprechung des Aufsatzes konnten wir uns an einigen Stellen nicht auf eine Formulierung einigen, ohne daß wenigstens einer von uns das Gefühl gehabt hätte, sein unterdrückter Vorschlag sei treffender. Manchmal ging es nur um ein Wort. Bei diesem gemeinsamen Redigieren waren drei Konflikttypen unterscheidbar:
Erstens kamen Einwände, die vom PR-spezifischen Sprachgebrauch ausgingen oder die sich durch den Gebrauch eines PR-Fachbegriffs ausräumen ließen. So hatte ich Perry Rhodan an einer Stelle als „Beherrscher des Sonnensystems“ tituliert, hier konnten wir uns schnell einigen auf den Titel, den er offiziell führt, nämlich „Großadministrator“ des Sonnensystems.
Zweitens hatten wir stilistische Varianten zu verhandeln, oder genauer: Wir diskutierten über Formulierungsvorschläge, bis wir beide einen Vorschlag stehenlassen konnten, weil wir den Fall
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