Scream Street - Der Vampirzahn
auch nicht«, rief Rhesus. »Wenn Vampire sterben, verdampft ihr Blut normalerweise. Ich versteh das selbst nicht!«
Als Luke den Zahn hochhielt, um ihn zu betrachten, schoss eine Hand aus dem Sarg und packte ihn am Hals. »Ich glaube, ich weiß, warum er blutet...«, sagte er gurgelnd.
»Wer wagt es, meine Ruhe zu stören?«, fragte der Vampir mit tiefer, feierlicher Stimme.
Seine Augen standen weit offen und er starrte die Kinder an.
Luke schluckte schwer. Der Griff des Vampirs um seinen Hals wurde fester. »Ich bin Luke Watson«, sagte er mit erstickter Stimme. »S-Samuel Stolperstein hat mich hergeschickt.«
Graf Negatov kniff die Augen zusammen.
»Und woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sprichst?«
Rhesus sauste um den Sarg herum, bis er im Blickfeld des Vampirs stand. »Graf Negatov«, begann er. »Ich bin Rhesus Negativ, ein Nachkomme der glorreichen Negatov-Dynastie.« Er hielt dem Vampir die Hand hin.
Graf Negatov musterte die Linien in Rhesus’ Handfläche. »Tatsächlich: Du entstammst dem Negatov-Geschlecht. Aber wer war das, der mir meinen Vampirzahn weggenommen hat?«
»Er ist ein Werwolf«, erklärte Rhesus. »Ich helfe ihm, die sechs Relikte der Gründer zu sammeln, damit er mit seiner Familie aus der Scream Street wegkann.«
Graf Negatov seufzte. »Über hundert Jahre habe ich geschlafen und darauf gewartet, dass mein Relikt geholt wird. Jetzt habe ich nur noch eine letzte Frage...« Der Vampir blickte Luke tief in die Augen. »Verdient er die Gabe wirklich?«
Rhesus lächelte. »Ja, Sir. Er ist mein Freund!«
Der Vampir ließ Luke los. »Dann kann ich ja jetzt endlich ins nächste Leben übertreten. Eure Suche hat den Segen der Vampire.«
Graf Negatov schloss die Augen und verstummte für immer.
Während sich Luke mit Rhesus und Cleo einen Weg zurück durch den Abwasserkanal bahnte, betrachtete er im Fackelschein den Vampirzahn.
»Vielen Dank«, sagte er zum fünften Mal binnen weniger Minuten zu Rhesus.
»Kein Problem«, erwiderte Rhesus. »Du hättest dasselbe für mich getan.«
»Ich unterbreche ja nur ungern so einen bewegenden Moment«, sagte Cleo, »aber können wir bitte zusehen, dass wir hier rauskommen, damit ich mir die Flecken aus den Binden waschen kann?«
Luke grinste sie im Fackelschein an. »Ich
finde ja, so siehst du ganz reizend aus. Soweit ich weiß, sind Matschbraun und Algengrün die Modefarben der Saison.«
»Wenn ich nicht so nett wäre...«, setzte Cleo an, hielt aber abrupt inne. »Psst! Was ist das?«
»Was?«, fragte Luke. »Ich kann nichts hören.«
»Klingt wie Wind«, entgegnete Cleo. »Wie das Pfeifen von Wind!«
Plötzlich flatterte Rhesus’ Umhang, und er hielt krampfhaft die Fackel fest, als irgendeine unsichtbare Macht drohte, sie ihm aus den Händen zu reißen. »Ein Poltergeist!«, rief er.
»Und was quietscht dann so?«, fragte Luke. Die Antwort kam postwendend, als ein Dutzend Ratten fiepend durch den Tunnel auf sie zugeflogen kamen, von der Kraft des Poltergeists entlanggefegt.
Eine von ihnen krallte sich im Vorbeifliegen an Lukes Wange fest und bohrte sich tief
in seine Haut, damit sie nicht davonflog. »Mach sie weg!«, schrie Luke.
Rhesus zog das Erstbeste aus seinem Umhang, was ihm in die Finger kam: die Brechstange. Die schwang er gegen Lukes Wange und schlug damit die Ratte weg, erwischte aber auch seinen Freund.
»Au!«
»Tut mir leid!«, entschuldigte sich Rhesus.
»Das hat echt wehgetan!«, sagte Luke und rieb sich die Wange. Er zog seine Hand weg, als ihm Blut an den Fingernspitzen entlanglief.
»Diese Ratte muss dich übel gekratzt haben«, bemerkte Cleo.
»Nein!«, sagte Luke. »Das war nicht die Ratte.« Er blickte auf seine Fingernägel, die sich verlängerten und wuchsen und bogen, bis sie gefährliche Krallen bildeten. »Ich verwandele mich!«
»Nur die Hände oder alles?«, fragte Rhesus. »Ich habe nämlich keine Lust, hier unten mit
einem wütenden Werwolf gefangen zu sein!« Auf einmal wurde ihm die flackernde Fackel aus der Hand gerissen. Sie sauste klappernd durch den Tunnel, und die drei blieben in tiefer Dunkelheit zurück.
»Ich korrigiere mich!«, rief er gegen den lauten Wind an. »Ich habe keine Lust, hier unten in stockfinsterer Dunkelheit mit einem wütenden Werwolf gefangen zu sein!«
Die Poltergeistattacke wurde immer stärker und stärker. Steine, Äste und Schlammbatzen wirbelten im engen Kanalrohr umher.
»Haltet euch an mir fest!«, brüllte Luke und grub seine Krallen in die
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