Scream Street - Der Vampirzahn
wollte Rhesus wissen.
»Ach ja, die Mumie«, sagte Sir Otto mit
einem dramatischen Seufzen. »Die ist ja echt eine kleine Wildkatze!« Der Verwalter schnalzte mit den Fingern.
Dixon drückte eine Reihe Knöpfe auf einem Schaltpult an der Wand. Sofort glitt ein Stück Boden zur Seite, und eine riesengroße Maschine kam zum Vorschein, auf der Cleo oben festgebunden war.
»Das ist der Generator!«, rief Rhesus. »Der Generator, der früher die Scream Street mit Strom versorgt hat! Ich kenne ihn von Bildern!«
»Nur dass er inzwischen umfunktioniert wurde«, erklärte Sir Otto. »Statt Strom zu produzieren, zerrt er jetzt die Geister der Toten von unten herauf und füllt sie mit Energie!«
»Sie - Sie erzeugen Poltergeister!«, sagte Rhesus. »Sie kontrollieren die Poltergeister also gar nicht, sondern Sie machen sie!«
»Ganz schön schlau, nicht?«, meinte Sir Otto mit einem zufriedenen Lächeln und strich sich
über den Seidenschal. »Wer hätte gedacht, dass ihr kleinen Ungeheuer mir mal tot nützlicher sein würdet als lebendig?«
»Man sollte die Toten in Frieden ruhen lassen!«, rief Rhesus.
»Und genau deshalb habe ich beschlossen, zur Abwechslung mal mit lebenden Exemplaren zu experimentieren«, verkündete Sir Otto grinsend und zeigte auf Cleo. »Wenn ich richtig gerechnet habe, müsste beim ersten Stromschlag ihr Herz aufhören zu schlagen, sodass ich direkt die Kontrolle über ihren Geist bekomme.«
»Das möchte ich sehen!«, brüllte Rhesus. »Ihr Herz ist...«
»Mein Herz ist kräftig«, unterbrach ihn Cleo und warf Rhesus einen warnenden Blick zu. »Na los, nur zu, Feist«, sagte sie herausfordernd. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können!«
Der Verwalter warf den Vampirzahn und Stolpersteins Geschichten aus der Scream Street in
seine Tasche. »Oh, wie ich es mag, wenn sie mir die Stirn bieten!«, sagte er grinsend, watschelte zum Schaltpult und stellte die Anzeige ein. Der Generator unter Cleo begann zu summen.
»Sobald er den Schalter umlegt, geht’s los«, flüsterte Luke in Rhesus’ Ohr. Der Vampir nickte, ohne den Blick von Dixon abzuwenden, der gerade alle Kabel überprüfte.
Sir Otto drehte sich um. »Sag deinen Organen Auf Wiedersehen, Bandagenmädchen!« Mit einem breiten Lächeln betätigte er den Hebel, um den Generator auf volle Leistung zu bringen.
Cleos ganzer Körper zuckte, als der erste Stromschlag durch sie hindurchfuhr. Sie hatte kaum Zeit, dafür dankbar zu sein, dass ihr Herz und die anderen Organe sich sicher in ihrem Zimmer befanden, als schon der zweite Elektroschock sie traf.
»Jetzt!«, sagte Luke.
Mit seinen falschen Fingernägeln stocherte
Rhesus am Schloss der Käfigtür herum. Als Dixon klar wurde, was der Vampir vorhatte, raste er quer durch den Raum, um ihn aufzuhalten, aber zu spät.
Schon kam Luke herausgeschossen. Die Tür traf Dixon direkt im Gesicht und er taumelte zur Seite. Rhesus griff durch die Gitterstäbe nach seinem Umhang und zog kräftig daran, sodass Dixons Kopf mit einem lauten Knall gegen den Käfig stieß.
Benommen vom Schlag, wurde Dixons gestaltverändernder Mechanismus in einen Schnellgang getrieben. Immer und immer wieder ließ ihn Rhesus gegen die Stäbe knallen und verwandelte Sir Ottos Neffen in Tibia Skelly, Doug und sogar Sir Otto selbst. Als das dünne Männchen zu guter Letzt zu Eva Immergut wurde, band Rhesus seine Haare an den Gitterstäben fest.
Sir Otto bekam nichts von dem Tumult hinter sich mit, weil das Rattern und Brummen der
Maschine, die jetzt im vollen Gang war, alles andere übertönte. Seine Zigarre paffend, beobachtete er die Zeiger und Anzeigen des Apparats.
Als ein neuerlicher Stromschlag durch Cleos Körper fuhr, blickte sie auf und sah, wie Luke sie anstarrte. »Mir... geht es... gut«, sagte sie stöhnend durch die zusammengebissenen Zähne. »Hol... den... Vampirzahn!«
Erst als Luke schon fast bei ihm stand, merkte der Verwalter, dass der Käfig offen war. Er drehte sich um und boxte Luke fest in den Bauch. »Mich kannst du nicht aufhalten«, rief er. »Du steckst hier mit deinen armseligen Eltern für immer fest!«
Mit einer schnellen Bewegung riss Luke Sir Otto den Seidenschal vom Hals und erstarrte. Sir Otto hatte gar keinen Hals. Dort, wo eigentlich Haut hätte sein müssen, sah man nur eine verknäuelte Masse aus Fleisch und Knochen, die notdürftig von Narbengewebe zusammengehalten wurde.
»Ich bin in dieser dreckigen Straße hier aufgewachsen«, schrie Sir Otto. »Für meine Eltern war es
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